Wenn das Vertrauen in die Vertrauensarbeitszeit durch eine lückenlose Aufzeichnungspflicht getötet wird, lebt die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen trotzdem weiter. Rechtlich würde aus der Vertrauensarbeitszeit eine normale Arbeitszeit. Tatsächlich aber würde sich aber für die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen dennoch nichts ändern; denn jede Arbeitszeit benötigt ein Restvertrauen für ihre Ausübung. Im Restvertrauen ist auch Platz für eine Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen.
Vertrauensarbeitszeit
Die Vertrauensarbeitszeit ist ein Konzept der Arbeitszeit innerhalb der Arbeitsorganisation.
Definition
Die Vertrauensarbeitszeit ist eine Arbeitszeit, deren Einhaltung auf dem gegenseitigen Vertrauen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht. Geregelt werden kann sie im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag sein. Ihre sachliche Grundlage ist eine besondere Betrachtung der Arbeitszeit; denn im Vordergrund steht eine Arbeitsleistung, die Projekt bezogen, situationsbedingt oder auftragsspezifisch ist. Die Einteilung der Arbeitszeit spielt eine untergeordnete Rolle. Ihre Aufzeichnung ist dennoch in festgelegten Grenzen gesetzlich vorgeschrieben. Die Arbeitszeitgesetze sind einzuhalten.
Gegenstand
Der Gegenstand der Leistung bestimmt die Vertrauensarbeitszeit. Er wird nach Umfang, Volumen, Zeitraum oder Zeitpunkt vom Arbeitgeber bestimmt. Die dazu erforderliche Arbeitsleistung ist eine vertragliche Pflicht des Arbeitnehmers. Seine persönlichen Interessen haben dahinter zurückzustehen.
Zeiteinteilung
Wenn die zu erledigende Aufgabe feststeht, darf der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit als Vertrauensarbeitszeit selbst frei einteilen. Seine Planung muss aber die betrieblichen Belange seines Arbeitgebers und dessen Arbeitsorganisation berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist sogar berechtig, Kernarbeitszeiten festzulegen. In Fällen der arbeitsbedingten Ortsabwesenheit wie bei Dienstreisen oder Kundenbesuchen ist eine Abstimmung angesagt, damit die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gewährleistet ist. Die Abstimmung stärkt zusätzlich das gegenseitige Vertrauen.
Arbeitszeit
Die freie Einteilung der Arbeitszeit ist auch für die Vertrauensarbeitszeit durch die Vorschriften des zeitlichen Arbeitsschutzes eingeschränkt.
Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeitvon höchstens acht Stunden und die maximalewöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden sind im Arbeitszeitgesetz (§§ 3, 7 Abs. 8 ArbZG) vorgeschrieben.
Die Ruhepausen während der Arbeitszeit regelt § 4 ArbZG.
Die Ruhezeit wird, sofern nicht etwas anderes gilt, in § 4 Abs. 1 ArbZG mit 11 Stunden bestimmt. So ist z.B. die Zeitspanne zwischen der Bearbeitung einer dienstlichen E-Mail um 23 Uhr und dem darauffolgenden Arbeitsbeginn um 9 Uhr im Homeoffice am Folgetag für die Ruhezeit zu kurz. Die Arbeit darf daher erst ab 10 Uhr beginnen.
Abweichende Regelungen zu diesen durchschnittlichen Normen finden sich in § 7 ArbZG.
Nach diesen Vorschriften haben sich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu richten. Sie tun der Vertrauensarbeitszeit keinen Abbruch.
Beispiele für die Vertrauensarbeitszeit
Passende Beispiele für eine Vertrauensarbeitszeit können sein:
Entwicklung: Ein dringend benötigter Impfstoff soll entwickelt werden.
Projekt: Eine Software ist zu installieren.
Dienstleistungen: Zu den Dienstleistungen gehören vor allem die Beratungen aller Art. Des Weiteren zählen Haustürgeschäfte sowie alle Leistungen dazu, die mit Hausbesuchen verbunden sind.
Homeoffice: Das Homeoffice ist als Teil der Arbeitsorganisation von der Vertrauensarbeitszeit betroffen. Im Zuge der Pandemie des Coronavirus, deren Bekämpfung sich auf die Minimierung zwischenmenschlicher Kontakte stützte, war es sogar die allein zulässige Arbeitsform. Auf das erforderliche Vertrauen konnte keine Rücksicht genommen werden, es wurde als unterstellt eingefordert.
Branchen: Ganze Branchen habendas Konzept der Vertrauensarbeitszeit zu ihrer überwiegenden Arbeitszeit gemacht. Das sind die Restauration, der Einzelhandel, Installationsbetriebe sowie weite Teile des allgemeinen Handwerks.
Diese Beispiele geben einen kurzen Überblick über die Einsatzgebiete der Vertrauensarbeitszeit; doch einen tiefen Einblick gewährt erst die Ausgestaltung im Einzelfall.
Vorteile der Vertrauensarbeitszeit
Die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit fallen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedlich aus.
Vorteile für den Arbeitgeber
Der Schwerpunkt der Vorteile liegt für den Arbeitgeber in der Arbeitsorganisation:
- Flexibilität: Der Ablauf der Arbeitsprozesse kann flexibler gestaltet werden.
- Personalkosten: Personalkosten lassen sich einsparen.
- Effizienz: Die Effizienz des Arbeitseinsatzes kann gesteigert werden.
- Ergebnis: Das Arbeitsergebnis ist früher zu erzielen.
- Mitarbeiterzufriedenheit: Die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht sich durch die Möglichkeit, den Einsatz der Arbeitsleistung zeitlich selbst zu gestalten und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
- Arbeitszeiterfassung: Die Kosten für die Arbeitszeiterfassung sind überschaubar. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung beschränkt sich gem. § 16 Abs. 2 ArbZG auf Aufzeichnungen, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehen.
- Anwerbung: Die Vertrauensarbeitszeit kann zur Anwerbung qualifizierter Mitarbeiter genutzt werden.
- Ruf als Arbeitgeber: Der Ruf als moderner Arbeitgeber wird durch die Vertrauensarbeitszeit gestärkt, so dass ein Arbeitgeber ein gutes Ranking im Arbeitskräftemarkt erzielt.
Die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit bilden ein weites Spektrum, auf dem sich der Arbeitgeber als modern profilieren kann.
Vorteile für den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer erhält aus der Vertrauensarbeitszeit folgende Vorteile.
- Selbstbestimmung: Durch die freie Ermächtigung zur Gestaltung seiner Arbeitszeit gewinnt der Arbeitnehmer die Selbstbestimmung über seine Tageseinteilung.
- Leistungssteigerung: Die selbstbestimmte Zeiteinteilung führt zur Leistungssteigerung.
- Zufriedenheit: Selbstbestimmung und Leistungssteigerung erzeugen Zufriedenheit beim Arbeitnehmer.
- Effizienz: Die Integration der Vertrauensarbeitszeit in den familiären Zeitrahmen ermöglicht eine Steigerung der Effizienz im Tagesablauf.
- Work-Life-Balance: Der Arbeitnehmer kann die Work-Life-Balance positiv beeinflussen.
- Kostenersparnis: Im Homeoffice entfallen die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz.
- Zeitersparnis: Ebenso fallen im Homeoffice die Zeitbelastungen weg, die mit der Fahrtzeit zum Arbeitsplatz verbunden sind.
Die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit ermöglichen dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Verwirklichung im Beruf als Grundlage für sein Privatleben.
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Die aufgelisteten Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer machen die Gründe deutlich, warum sich die Vertrauensarbeitszeit zu einer neuen Form der Arbeitsorganisation ausgebildet hat.
Nachteile der Vertrauensarbeitszeit
Die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit sind geringer als die Vorteile und lassen sich deshalb kurz zusammenfassen.
Nachteile für den Arbeitgeber
Es gibt vier Nachteile für den Arbeitgeber:
- Einhaltung der Arbeitszeit: Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitszeitvorschriften bei der Vertrauensarbeitszeit einhält.
- Notfallarbeitszeit: Die Überwachung der Notfallarbeitszeit ist eine Verschärfung der Überwachungspflicht.
- Krisenarbeitszeit: Die Bundesregierung hat während der Krise des Coronavirus eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes veranlasst. Für bestimmte Tätigkeiten können für einen begrenzten Zeitraum die täglichen Arbeitszeiten verlängert, die Ruhezeiten verkürzt und Arbeit an Sonntagen und Feiertagen eingeführt werden.
- Verwaltungsaufwand: Der Kostenaufwand in der Verwaltung, der mit der Überwachung der Arbeitszeit verbunden ist, ist der dritte Nachteil.
Die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit halten sich für den Arbeitgeber in Grenzen und zeigen, dass kein Vorteil ohne Nachteil zu haben ist.
Nachteile für den Arbeitnehmer
Für den Arbeitnehmer ergeben sich zwei Nachteile aus der Vertrauensarbeitszeit:
- Selbstausbeutung: Der Arbeitnehmer unterliegt der Gefahr der Selbstausbeutung. Sie entsteht entweder, wenn der Arbeitnehmer die Übersicht über seine Arbeitszeit verloren hat, oder weil er sich im Sinne seines Arbeitgebers zur Mehrarbeit verpflichtet fühlt.
- Erreichbarkeit: Ein anderer Nachteil ist die ständige Erreichbarkeit, die durch den Arbeitgeber unzulässig ausgenutzt werden kann.
Die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit für den Arbeitnehmer liegen in der Natur der Sache und sind von ihm hinzunehmen.
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Insgesamt sind die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vergleich zu den Vorteilen von geringer Bedeutung, weil sie sich durch Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beheben lassen.
Nachteile durch Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen
Einige Nachteile der Vertrauensarbeitszeit sind der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen zuzuschreiben, weil sie auf Misstrauen oder verlorenem gegenseitigem Vertrauen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhen.
Nachteile für den Arbeitgeber
Der Arbeitgeber sieht Nachteile der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen in folgenden Befürchtungen bestätigt:
- Leistungsminderung: Laut einer unbestätigten Umfrage unter Arbeitgebern liegt im Homeoffice die Arbeitsleistung um 40 Prozent niedriger.
- Vermischung: Die Vermischung von Arbeitszeit und Privatleben soll grundsätzlich zur Minderung der Arbeitsleistung beitragen.
- Private Nutzung: Infolge der Coronavirus-Krise 2020 wurden viele Homeoffices zwangseingerichtet. Die dazu von den Arbeitgebern beschafften Laptops sollen von den Arbeitnehmern und deren Familien auch privat genutzt worden sein.
Die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen für den Arbeitgeber beruhen auf seinem Misstrauen.
Nachteile für den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer sieht in der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen folgende Nachteile:
- Überwachung: Der Arbeitnehmer fühlt sich durch seine ihm vom Arbeitgeber auferlegte Pflicht zur Dokumentation seiner Arbeitszeiten überwacht; denn eine dokumentierte Arbeitszeit ist keine Vertrauensarbeitszeit.
- Überstundenvergütung: Der Arbeitnehmer kann sich der Vergütung seiner Überstunden nicht sicher sein, wie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 5 AZR 767/13) zeigt.
- Rechtsprechung Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer der Textilindustrie verklagte seinen Arbeitgeber auf Begleichung von 1088 Überstunden aus Vertrauensarbeitszeit. Der Fall landete beim BAG, das dem Arbeitnehmer die Vergütung von 414 Überstunden aus den Aufzeichnungen, aber nicht der weiteren 674 Überstunden zusprach.
- Rechtsprechung Urteilsgründe: Der Anspruch ist grundsätzlich begründet, weil Vertrauensarbeitszeit eine gleichwertige Arbeitszeit ist. Für sie gelten keine Ausschlussgründe. Die 414 Überstunden sind durch die Aufzeichnungen des Arbeitgebers genehmigt. Die 674 Überstunden beruhten auf privaten Aufschreibungen des Klägers, weil sein Arbeitgeber seine Dokumentation eingestellt hatte. Von der Notwendigkeit dieser Überstunden konnte der Kläger das BAG nicht überzeugen.
Hinsichtlich der Überstundenvergütung müssen die Nachteile der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber unbedingt beseitigt werden; schließlich sind allein 2 Milliarden Überstunden 2018 angefallen, von denen nur die Hälfte vergütet worden ist. Bei der Überwachung reicht eine eindämmende Kommunikation aus.
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Die speziellen Nachteile der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer beweisen, dass gegen Misstrauen häufig „kein Kraut gewachsen“ ist.
Der Tod der Vertrauensarbeitszeit
Den Tod der Vertrauensarbeitszeit haben die deutschen Arbeitgeber ausgerufen, seit der EuGH am 14. Mai 2019 ein Urteil zur Aufschreibung von Arbeitszeiten verkündet hat.
Sachverhalt
In Spanien hatte ein Arbeitnehmer eine Niederlassung der Deutschen Bank verklagt, sie habe keine Schutzmaßnahmen zur Sicherung der Ruhezeiten und Pausenzeiten getroffen. Die Rechtsgrundlage sei die EU-Richtlinie 2003/88/EG, die zudem von den Mitgliedstaaten entsprechende Schutzvorschriften verlange. Der Klage war eine große Gewerkschaft mit einer Verbandsklage beigetreten. Im Rechtsmittelverfahren befand sich die Auseinandersetzung vor der Audiencia National, dem Nationalen Gerichtshof Spaniens.
Vorlage
Die Audiencia National legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob ein Arbeitgeber zum Nachweis der regulären Arbeitszeit verpflichtet sei; denn ohne den Nachweis sei die Einhaltung der Schutzvorschriften unmöglich. Der Nationale Gerichtshof sehe sich im Zuge der Einheitlichkeit der spanischen Rechtsprechung an einer Entscheidung gehindert, da das Tribunal Supremo, der Oberste Gerichtshof, nach seiner Rechtsauffassung die Aufzeichnungen für nicht erforderlich halte.
Entscheidung
Der EuGH entschied am 14. Mai 2019. Er gab den klagenden Parteien Recht: „Die … sind im Lichte von Art 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte … dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedsstaates entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“ (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=214043&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1)
Adressaten der Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH richtet sich an folgende Adressaten:
- Audiencia National: In erster Linie richtet sich das Urteil an das vorlegende Gericht, die Audiencia National, Spanien.
- Mitgliedsstaaten: Die Entscheidung verpflichtet die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu nationalen Regelungen zum Arbeitsschutz nach den Richtlinien der EU. Darin sollen den Unternehmen Systeme zur lückenlosen Erfassung der täglichen Arbeitszeit vorgeschrieben werden.
- Umsetzung: Allerdings haben die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung des Urteils Spielräume. Deshalb haben die deutschen Unternehmen die Bundesregierung gebeten, sie von den „Bestattungskosten“ weitgehend freizustellen. Der Bundeswirtschaftsminister hat zugesagt, Kontakt zur EU aufzunehmen.
- Rechtsprechung: Die Rechtsprechung ist eigentlich erst nach Einführung der staatlichen Regelung gefragt; doch es zeichnet sich ein Trend ab, der die Verhältnisse umkehrt.
- Urteil: So hat das Arbeitsgericht Emden (02.20.20 – 2 Ca 94/19) entschieden, Art. 31 Abs. 2 GrCh, in dessen Licht der EuGH sein Urteil begründet, sei direkt anwendbares Recht. Aus § 241 Abs. 2 BGB ergebe sich die lückenlose Aufzeichnungspflicht der täglichen Arbeitszeit als Nebenpflicht.
- Unternehmen: Die Unternehmen sind von der Entscheidung des EuGH nur indirekt betroffen. Wenn aber das Urteil vom AG Emden Schule macht, sind sie direkte Adressaten. Vorausschauend sind bereits viele Firmen dabei, Aufzeichnungssysteme der täglichen Arbeitszeit zu installieren. Die Zahl der Angebote boomt.
Ursprünglich hatte der EuGH seine Entscheidung an die in Spanien streitenden Parteien und die Mitgliedstaaten der EU adressiert. Angesprochen fühlen sich aber noch andere.
Interpretation der Entscheidung
Eindeutig ist die Rechtslage nur für die spanischen Gerichte und solche Mitgliedsstaaten, die sich an die Richtlinien zum Arbeitsschutz der EU halten. In Deutschland ist nicht klar, wie deren Umsetzung in nationales Recht aussehen wird. Vielleicht nehmen sogar die Gerichte den gesetzgebenden Körperschaften das Heft aus der Hand und interpretieren die Gewaltenteilung neu. Fraglich ist auch, ob der Tod der Vertrauensarbeitszeit besiegelt ist: der Tod der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen ist es jedenfalls nicht.
Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen im Homeoffice
Mag die Vertrauensarbeitsarbeitszeit durch die Einführung lückenloser Systeme zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit mit dem Tode bedroht sein, die Arbeitszeit ohne Vertrauen lebt im Homeoffice munter fort.
Situation
Die Pandemie des Coronavirus verlangte ungewöhnliche Maßnahmen zu ihrer Eindämmung. Sie schränkten zwischenmenschliche Kontakte ein, um die Übertragung des Virus zu behindern. Deshalb wurden viele Arbeitsplätze von den Büros in Homeoffice verlagert.
Homeoffice als ungewohnter Arbeitsplatz
Das Homeoffice war nicht nur ein ungewohnter Arbeitsplatz für viele Berufstätige, die sich erst auf die zeitliche Verschränkung von Arbeit und Privatleben einschränken mussten. Auch die Arbeitgeber waren gefordert, die neuen Arbeitsplätze auszustatten und in die betriebliche Arbeitsorganisation zu integrieren.
Vertrauensarbeitszeit im Homeoffice
Die Schulung in die Vertrauensarbeitszeit war ein Teil der Maßnahmen, die zur Organisation des Homeoffice nötig waren. Die Arbeitnehmer, die zwangsweise in den eigenen vier Wänden arbeiten sollten, mussten ihre Arbeitszeiten aufschreiben und geplante Änderungen mit dem Arbeitgeber absprechen. Doch diese Verpflichtungen waren dem Aufbau von Vertrauen in das Recht zur Selbstbestimmung der Arbeitszeit nicht gerade förderlich. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung der Ruhepausen und Ruhezeiten entwickelte sich zur Vertrauensbremse.
Beispiel für Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen im Homeoffice
Durch die Coronavirus-Krise veranlasst, schickte ein Verlag seine Anzeigenabteilung und Redakteure in die Quarantäne des Homeoffice. Begründet wurde die Auswahl der Mitarbeiter mit rückläufigen Umsätzen in der Werbung. Die geschrumpften Umfänge der Blätter erforderten auch Kosteneinsparungen in der Redaktion. Unter diesen Arbeitnehmern befanden sich auch solche, von denen sich der Verlag gern getrennt hätte.
Von Beginn an wurde die Einhaltung der Vertrauensarbeitszeit durch unregelmäßige Anrufe in das Homeoffice überwacht. Bei den einen waren diese Maßnahmen zur Gewöhnung an die Vertrauensarbeitszeit, bei den anderen zur Vorbereitung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedacht.
Überwiegend bei den Redakteuren gelang es dem Verlag, die Vertrauensarbeitszeit in eine Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen zu überführen; denn die Redakteure empfanden sich grundsätzlich als Kreative, die sich an den Journalismus, nicht aber an Ordnung und Arbeitszeit gebunden fühlten. Die Rechnung des Verlages war aufgegangen. Die Kündigung war die Folge.
Ergebnis
Unter Ausnutzung der Krise des Coronavirus folgten viele Firmen dem dargestellten Beispiel. Oder sie kamen von selbst darauf, wie eine Vertrauensarbeitszeit in eine Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen umzuwandeln sei. Nach zwei erfolglosen Versuchen, die Mitarbeiter im Homeoffice zu erreichen, wurde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen; es sei denn, die Abwesenheit war entschuldbar. Fachanwälte für Arbeitsrecht sagten bereits während der Krise einen Boom an Kündigungsschutzprozessen für die Zeit danach voraus.
Resümee
Die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen lebt weiter, selbst wenn das Vertrauen in die Vertrauensarbeitszeit verloren gegangen ist. Das Homeoffice ist ein Ort, an dem jede Arbeitszeit Vertrauen benötigt. Die Einhaltung ist nämlich Arbeitsplatz fremden Einflüssen ausgesetzt. Das Beispiel Homeoffice lehrt, wie auch der letzte Rest an Vertrauen verspielt oder zu anderen Zwecken ausgenutzt werden kann. Im Ergebnis zeigt es den Weg zur Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen.
Call-to-Action
Für die weitere Lektüre zum Thema Vertrauen bieten sich die Beiträge „Offene Jobangebote als Lockmittel“ und „Passives Suchen und Datenschutz“ an.
Fazit
Die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen ist unsterblich. Die normale Vertrauensarbeitszeit dagegen scheint dem Tode geweiht. Das Urteil des EuGh vom 14. Mai 2019 schreibt unter Bezug auf EU-Richtlinien eine lückenlose Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit vor. Daraus lässt sich folgern, dass die der Kontrolle dienende Aufschreibung keinen Raum für abweichende auf Vertrauen beruhende Arbeitszeiten lässt.
Das letzte Wort in Deutschland ist bisher weder gesprochen noch abzuschätzen. Eine deutsche Reaktion auf die EU-Richtlinien und das Urteil des EuGh steht noch aus. Immerhin haben die EU und Deutschland es bisher versäumt, die Vertrauensarbeitszeit an die Bedürfnisse der flexiblen Arbeitszeit anzupassen.
Eine unerwartete Tendenz scheinen die deutschen Untergerichte auszulösen, indem sie die Entscheidung des EuGH direkt in ihren Urteilen umsetzen. Ein Wettlauf zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung um die Deutungshoheit der Vertrauensarbeitszeit hat begonnen.
Unbeeindruckt vom Schicksal der Vertrauensarbeitszeit zeigt sich dagegen die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen; denn jede Arbeitszeit bedarf eines Quäntchens an Vertrauen, das auch weiterhin enttäuscht oder dem mit Misstrauen begegnet werden kann. Dort liegt der Zugang für die Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen. Dass er in der Praxis tatsächlich genutzt wird, unterstreicht die Unsterblichkeit der Vertrauensarbeitszeit ohne Vertrauen.
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