Der Verzicht auf qualifizierte Bewerber beginnt bereits mit der Entscheidung, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bewusst nicht auszusprechen. Doch ist gerade die Qualifikation für die ausgeschriebene Position das wichtigste Einstellungskriterium. Ein Bewerber ohne die geforderte Fachkompetenz ist nicht in der Lage, die mit der Stelle verbundenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Entschluss zur Nicht-Einladung missachtet nicht nur das grundlegende Einstellungskriterium, sondern auch die in den vollständigen Bewerbungsunterlagen durch Zeugnisse belegte Qualifikation der Bewerber. Dennoch rufen bereits Recruiter zum Verzicht auf qualifizierte Bewerber und zum Umdenken in den HR auf.

Das Problem

Das Problem ist der Aufruf zum Verzicht auf qualifizierte Bewerber, der sich zum Trend entwickeln soll, wenn es nach einer immer größer werdenden Zahl von Recruitern geht.

Veröffentlichungen zum Thema Stellenbewerbung

Veröffentlichungen zum Thema Stellenbewerbung sollen den Bewerbern bei der Bearbeitung und Zusammenstellung ihrer Unterlagen helfen. Dazu bieten sie Vorschläge für den Aufbau und Muster für die Inhalte an. Den Bewerbungsschreiben gilt ihr besonderes Interesse; denn darin sind die Bewerber nicht an harte Fakten, wie im Werdegang dargestellt, gebunden, sondern können kreativ ihre Persönlichkeit überzeichnen und Facetten ihrer Individualität unterschiedlich betonen.

Anschreiben zu einem gelungenen Einstieg

Kreative Bewerberanschreiben sind nämlich, wie die lateinische Bezeichnung Curriculum Vitae sagt, Schöpfungen und damit einzigartig. Sie beanspruchen eine Alleinstellung gegenüber anderen Anschreiben und heben sich von den Schriftstücken der Mit-Bewerber durch originelle Formulierungen ab. So sollen sie der Bewerbung zu einem gelungenen Einstieg in das Bewerbungsverfahren verhelfen und das Interesse der Recruiter an den gesamten Unterlagen wecken.

Verzicht auf qualifizierte Bewerber

Ist der Bewerber allein oder mit anderen oben auf der Rankingliste aller Kandidaten angekommen, sprechen die Veröffentlichungen zum Ende ihrer Ausführungen nicht mehr die Bewerber, sondern die Recruiter an. Sie sollen zum Verzicht auf qualifizierte Bewerber animiert werden, indem sie „nicht automatisch jeden qualifizierten Bewerber einladen“.

Umdenken in den HR

Natürlich wissen die Autoren solcher Veröffentlichungen genau, dass sie es nicht bei ihrem Aufruf belassen dürfen, wenn sie Erfolg haben wollen. Deshalb bilden sie eine Phalanx der fortschrittlichen Recruiter, wobei sie indirekt auf den intellektuellen Stand der HR-Abteilungen verweisen. Sie mahnen ein Umdenken in den HR an, das für einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber erforderlich, aber noch nicht akzeptiert ist.

Zusammenfassung des Problems

Das Problem ist der Verzicht auf qualifizierte Bewerber, wenn qualifizierte Bewerber erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Für sie endet mit der Nicht-Einladung das Bewerbungsverfahren, weil der dem Anschreiben entnommenen und als nicht ausreichend empfundenen Kreativität Vorrang vor der im Werdegang geschilderten Qualifikation eingeräumt werden soll. Zur Durchsetzung dieser neuen Interpretation der Bewerbungsunterlagen soll ein Umdenken in den HR einsetzen.

Verzicht auf qualifizierte Bewerber

Ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber setzt einige Überlegungen voraus, die sich mit dem Sinn dieser Maßnahme auseinandersetzen. Seine Voraussetzungen und Folgen sind gründlich zu überdenken. Es gibt Situationen, in denen ein Verzicht überhaupt nicht möglich oder äußerst fragwürdig ist.

Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Verzichts

Nur möglich ist ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber, wenn die Gelegenheit zum Verzicht besteht; denn sie ist in vielen Fällen ausgeschlossen. Zur genaueren Analyse ist zwischen einem möglichen, einem eingeschränkten und einem unmöglichen Verzicht zu unterscheiden. Zu diesen drei auf Zahlen basierenden Unterscheidungen addieren sich noch die Fälle des sinnlosen Verzichts. 

Möglichkeit ausreichender Bewerberzahl

Sofern eine ausreichende Bewerberzahl für die Besetzung einer Stelle vorhanden ist, kann ein Verzicht auf Bewerber erfolgen.

0 und 1 Bewerbung

Über die optimale Größenordnung des Eingangs von Bewerbungen lässt sich allgemein keine Feststellung treffen. Der Eingang muss allerdings groß genug sein, damit ein Verzicht eintreten kann.

Bei keinem oder nur einem Eingang an Bewerbungen, also den Zahlen 0 und 1, ist ein Verzicht unmöglich.

2 Bewerbungen

Theoretisch lässt die Zahl 2 einen Verzicht zu.

Man kann auf eine Bewerbung verzichten.

3 und mehr Bewerbungen

Für einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber werden also mehr als drei oder mehr Bewerbungen benötigt. Wie groß die Mindestzahl ist, lässt sich theoretisch nicht, sondern nur praktisch ermitteln. Ab drei Bewerbungen kann zahlenmäßig zwar ein Verzicht erfolgen, aber nur wenn alle drei Bewerber zu den Qualifizierten gehören.

Die Mindestzahl für einen Verzicht ist also erst erreicht, sobald der Eingang von Bewerbern drei qualifizierte Bewerbungen enthält.

Zahlenmäßige Vorgabe für Bewerbungen

Die für die Personaleinstellung in der Firma zuständige Abteilung oder die Satzung des Unternehmens können Rahmenbedingungen für Stellenbesetzungen festlegen. Darin kann eine zahlenmäßige Vorgabe von Bewerbungen enthalten sein, die für eine Stellenbesetzung erfüllt sein muss. In der Regel schreibt die Vorgabe die Mindestzahl der Eingänge von Bewerbungen vor. Sie soll gewährleisten, dass den Entscheidern mehrere Kandidaten zur Auswahl zur Verfügung stehen, die Auswahl zum Vergleich genutzt und die Stelle nicht bereits mit dem erst besten Bewerber besetzt wird.

Damit entscheidet die Zahl aus der Vorgabe, ob ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber überhaupt möglich ist.

Unmöglichkeit bei Absagen durch Bewerber

Absagen durch Bewerber machen einen Verzicht auf die absagenden Bewerber selbst unmöglich.

Sofortige Drittwirkung der Unmöglichkeit bei Absagen

Zusätzlich entwickeln die Absagen noch eine sofortige Drittwirkung. Sie mindern nämlich die Zahl der übrigbleibenden Bewerber und schränken die Verzichtsmöglichkeiten ein.

Sinkt durch die Absagen die Zahl der restlichen Kandidaten auf 1 oder 0 oder unterschreitet sie die Vorgaben eines Unternehmens, wird ein Verzicht in diesem Bewerberbestand unmöglich.

Nachträgliche Drittwirkung der Unmöglichkeit bei Absagen

Während des gesamten Bewerbungsverfahrens ist nicht abzuschätzen, ob und wann Bewerber absagen und ihre Unterlagen zurückfordern. Deshalb kann die Zahl der Verzichtsmöglichkeiten durch spätere Absagen noch nachträglich auf 1 oder 0 sowie unter die Vorgaben fallen und eine nachträgliche Drittwirkung entfalten. Sofern die Nicht-Einladungen, etwa durch Ausladungsschreiben, erfolgt sind, ist eine Rückgewinnung der Abgesagten in der Regel nur mit Zugeständnissen möglich.

Absage eines Drittels aller Bewerber aus Zeitgründen

Mehr als ein Drittel aller Bewerber sagt aus Zeitgründen vorzeitig das weitere Verfahren ab, weil ihm die Reaktionszeiten der suchenden Unternehmen zu lang sind. Die Zeit bis zur ersten Reaktion beträgt im Durchschnitt 25 Tage und 43 Tage für die nächste.

Häufige Gründe zur Absage

Häufige Gründe zur Absage durch Bewerber sind die Annahme einer anderen Position oder das Verbleiben beim jetzigen Arbeitgeber sowie Änderungen in den privaten Verhältnissen der Bewerber. Besonders in den beiden erstgenannten Fällen ist ein Pokern der Bewerber um den Job nicht ausgeschlossen. Ob die Kandidaten zum Pokern um einen Job neigen, lässt sich anhand der vollständigen Bewerbungsunterlagen nicht feststellen. Ob und wann Absagen aus diesen Gründen eintreffen, ist ohne Einladung der qualifizierten Bewerber zum Vorstellungsgespräch überhaupt nicht und nach deren Kennenlernen nicht unbedingt abzuschätzen.

Resümee zu den Absagen

Absagen durch Bewerber kommen einem Verzicht auf Bewerbungen durch Recruiter zuvor. Sie können sich gegenüber den eingegangenen Bewerbungen noch soweit erhöhen, dass ein Verzicht auf Bewerbungen nicht nur eingeschränkt, sondern sogar ausgeschlossen ist.

Die mangelnde Abschätzbarkeit der Absagen ist ein Problem für den Verzicht von Bewerbungen; denn Zahl und Zeitpunkt sind nicht vorhersehbar. So können Absagen bei den Recruitern auch dann noch eintreffen, wenn sie bereits auf qualifizierte Bewerber verzichtet haben.

Zusammenfassung der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Verzichts

Die Möglichkeiten für einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber werden durch verschiedene Umstände eingeschränkt.

An erster Stelle ist die Zahl der eingegangenen Bewerbungen zu nennen. Ist sie zu klein, ist ein Verzicht unmöglich. Daneben können Vorgaben, die für eine Personaleinstellung gemacht werden, den Verzicht behindern oder unmöglich machen.

Absagen von Bewerbern, die jederzeit erfolgen können, führen zur Unmöglichkeit des Verzichts auf diese qualifizierten Bewerber. Da die Absagen Drittwirkungen entfalten, begrenzen sie den Verzicht gegenüber den restlichen Bewerbern oder schließen ihn aus. Da Absagen durch Bewerber jederzeit möglich sind, können sie auch erst nach der Nicht-Einladung von Bewerbern eintreffen und den Verzicht auf qualifizierte Bewerber als vorzeitige Fehlentscheidung hinstellen.

Sonderfälle für den Verzicht

Sonderfälle für die Unmöglichkeit oder Unmöglichkeit des Verzichts auf qualifizierte Bewerber sind der Fachkräftemangel und der Kampf um Talente; denn zu ihrer Beurteilung kommt es darauf an, ob ein Verzicht überhaupt sinnvoll ist.

Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel schränkt den Verzicht auf Bewerber erheblich ein, zumal er nicht nur ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber, sondern sogar auf dringend gesuchte qualifizierte Bewerber ist.

Diese Sonderstellung der Fachkräfte unter den qualifizierten Bewerbern aus Mangelberufen lässt einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber als sinnlos erscheinen; denn ein Unternehmen, das bei Fachkräftemangel auf einen qualifizierten Bewerber aus freien Stücken verzichtet, schädigt sich selbst. Es nimmt bewusst in Kauf, dass es seine Kunden gar nicht oder nicht ordnungsgemäß zufrieden stellen kann. Diese Einstellung ist nicht nur fragwürdig, sondern führt zur Sinnlosigkeit des Verzichts auf qualifizierte Bewerber,

Kampf um Talente

Der Kampf um Talente kann nur selten Thema für einen Verzicht auf qualifizierte Bewerbungen sein, nämlich wenn ein Talent sich selbst beim Recruiter meldet.

In der Regel wird ein Talent im Arbeitsmarkt aufgespürt und im Kampf gegen Firmen des Wettbewerbs eingestellt. Ein Verzicht auf Talente, die sich freiwillig melden, ist nicht nur ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber, sondern auch eine Selbstschädigung des zurückweisenden Unternehmens. Solch ein Verzicht ist nur verständlich, wenn andere schwerwiegende Gründe ihn rechtfertigen; ansonsten ist er sinnlos.

Ergebnis zu den Sonderfällen

Sonderfälle wie der Fachkräftemangel und der Kampf um Talente lassen einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber nicht sinnvoll erscheinen, selbst wenn er theoretisch möglich ist.

Nicht-Einladung heißt Verzicht

Die Nicht-Einladung von Bewerbungen heißt Verzicht mit verschiedenen Auswirkungen.

Nicht-Einladung als Ende des Bewerbungsverfahrens

Die Forderung, qualifizierte Bewerber nicht einzuladen, betrifft nicht nur einen Verzicht, sondern zugleich das Ende des Bewerbungsverfahrens für beide Seiten.

Die Nicht-Einladung der Bewerber bedeutet, dass diese Bewerber für den weiteren Verlauf der Einstellung entfallen. Das Bewerbungsverfahren endet also mit der Nicht-Einladung teilweise oder vollständig, wenn weitere Bewerber etwa wegen eigener Absagen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Nicht-Einladung als vertane Chance zum Kennenlernen qualifizierter Bewerber

Die Nicht-Einladung von Bewerbern ist eine vertane Chance, Kandidaten kennenzulernen. Wenn nämlich der gesamte Einstellungsprozess durch die Nicht-Einladung noch nicht beendet ist, hängt er von der Beurteilung der restlichen Kandidaten ab.

Für die Personaleinstellung kommt es nicht nur darauf an, dass die Qualifikation des Bewerbers stimmt, sondern die einzustellende Person muss aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur zur Aufgabe und ins Unternehmen passen. Nach erfolgtem Verzicht ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass sich die verbliebenen Bewerber nicht für die Stellenbesetzung eignen; denn sie können sich aus unbeliebten Bewerbertypen zusammensetzen.

Unbeliebte Bewerbertypen

Einige Bewerbertypen, die eine Stellenbesetzung erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen, sind die folgenden exemplarisch dargestellten sieben Bewerbertypen.

Der Egomane

Der Egomane sieht sich beim Vorstellungsgespräch im Mittelpunkt. Er zeichnet sich durch Monologe über seine beruflichen Erfolge und Erfahrungen aus. Die angebotene Stelle empfindet er als Möglichkeit, seine berufliche Egomanie in das neue Unternehmen einzubringen, anstatt die angebotene Aufgabe im Team zu lösen.

Der Indiskrete

Der Indiskrete enttarnt sich im Vorstellungsgespräch bei der Darstellung seiner Position bei seinem letzten Arbeitgeber. An seinen Kollegen, mit denen er seine Aufgaben zu erfüllen hat, lässt er kein gutes Haar, um sich besonders herauszustellen. Auch Betriebsgeheimnisse preiszugeben oder strategische Überlegungen offen zu legen, scheut er sich nicht.

Der Introvertierte

Der Introvertierte hält sich im Bewerbungsgespräch bis zur Einsilbigkeit zurück. Oft ist es schwierig festzustellen, ob die Zurückhaltung persönlichkeitsbeding ist oder dem Verschweigen unangenehmer Tatsachen wie Lücken im Lebenslauf dient. Auch der Grad der Introversion kann nur im persönlichen Gespräch ermittelt werden. Für bestimmte Positionen etwa im Innendienst darf er höher sein; für Stellen mit Kundenkontakt kann Introversion zur Ablehnung des Bewerbers führen.

Der Besserwisser

Der Besserwisser, häufig der Absolvent einer kürzlich bestandenen Ausbildung, möchte im Vorstellungstermin mit seinem (neu erworbenen) Wissen überzeugen. Er fällt dadurch auf, dass er die Gesprächsteilnehmer ständig korrigiert. Für den Fall der Einstellung gibt er meist Versprechungen ab, die er nicht einhalten kann, weil er seine Kompetenz überschätzt.

Der Schauspieler

Der Schauspieler hat sein Auftreten beim Vorstellungsgespräch aufwendig eingeübt. Die Tonlage der Antworten, die begleitende Mimik sowie die Körpersprache entsprechen der Rolle eines Kandidaten, wie er sie sich vorstellt. „The show must go on“. Deshalb sind ihm die Zustimmung der Teilnehmer und der Eindruck, den er hinterlässt, wichtiger als die Einstellung auf die ausgeschriebene Position. 

Der Schwierige

Der Schwierige signalisiert während des gesamten Vorstellungsgespräches, dass selbst auf leichte Fragen nur komplizierte Lösungen akzeptabel sind. Die Fallen im Beruf seien vielfältig und stets vorsorglich zu bedenken. Er ist zwar auf der Hut und vermittelt so Kompetenz, aber nicht die Fähigkeit, im Team kooperativ zu sein.

Der Meinungslose

Der Meinungslose dreht im Vorstellungsgespräch seine Meinung nach den Äußerungen der anderen Beteiligten und erinnert so an die Schuloper „Der Jasager und der Neinsager“ von Bertolt Brecht. Die Rolle des Jasagers musste nach ersten Aufführungen des Stückes aus pädagogischen Gründen um die Rolle des Neinsagers ergänzt werden. Der Meinungslose ist auf beide Rollen geeicht.

Ergebnis zur vertanen Chance

Die Erfahrung lehrt zwar, dass die unbeliebten Bewerbertypen nicht unbedingt die Bewerber der letzten Auswahl sind; aber der Verzicht auf die nicht eingeladenen Bewerber ist dennoch eine vertane Chance, die qualifizierten Bewerber näher kennengelernt und auf die Passgenauigkeit zu dem suchenden Unternehmen geprüft zu haben. Da die abgewiesenen Kandidaten nämlich laut Definition qualifiziert sind, können sie nämlich durchaus passgenau für das suchende Unternehmen sein und deshalb der Stellenbesetzung mehr als die durch die Papierform bevorzugten Bewerber entsprechen.

Nicht-automatische Einladung als eingeschränkter Verzicht

Die nicht-automatische Einladung zum Vorstellungsgespräch wollen einige Recruiter als eingeschränkten Verzicht auf qualifizierte Bewerber verstanden wissen.

Unterbrechung der Automatik

Deshalb schlagen diese Personaler vor, „nicht automatisch jeden qualifizierten Bewerber einladen“. Nach ihrer Vorstellung führt also jede Feststellung der Qualifikation eines Bewerbers bisher automatisch zu dessen Einladung. Diese Automatik soll künftig unterbrochen und in einen sporadischen Verzicht umgewandelt werden. Die damit verbundene Einschränkung des Verzichts verursacht vor allem die Trennung der Qualifikation von der Einladung, obwohl eine Einstellung ohne Qualifikation sinnlos ist.

Willkür der Unterbrechung

Kriterien, nach denen die Automatik der Einladung zu unterbrechen ist, geben die Recruiter nicht an. So wird jede Unterbrechung der Willkür der Entscheidungsträger im Einstellungsverfahren überlassen. Nach dem Zufallsprinzip trifft also die Nicht-Einladung qualifizierte Bewerber, ohne dass sie sich sachlich damit auseinandersetzen können. Ihnen hilft auch nicht, dass der auf einer Unterbrechung der automatischen Einladung beruhende Verzicht nur ein eingeschränkter Verzicht auf qualifizierte Bewerber sein soll.

Zusammenfassung zur nicht-automatischen Einladung

Die nicht-automatische Einladung zum Vorstellungsgespräch ist ein eingeschränkter Verzicht auf qualifizierte Bewerber. Diese Einschränkung soll dem unbegrenzten Verzicht die Schärfe nehmen, indem er die Automatik der Einladung qualifizierter Bewerber unterbricht. Da für die Unterbrechung keine Kriterien vorliegen, hängt dieser Verzicht von der Willkür der Einstellenden ab und trifft die Bewerber zufällig und unvorbereitet.

Grundlagen für den Verzicht auf qualifizierte Bewerber

Die Grundlagen für den Verzicht auf qualifizierte Bewerber müssen darlegen, warum sich der Verzicht zu Recht gegen die gängige Einstellungspraxis richtet.

Aufwertung der vollständigen Bewerbungsunterlagen

Der Verzicht auf qualifizierte Bewerber wertet die vollständigen Bewerbungsunterlagen als Entscheidungsgrundlage für Einstellungsentscheidungen merklich auf, indem er auf deren Wahrheit und Vollständigkeit vertraut.

Vertrauen auf die vollständigen Bewerbungsunterlagen

Dieses Vertrauen ist unangebracht, wie die zahlreichen Diskussionen – über alle Medien verteilt – zu der Entdeckung und Ahndung von Lücken im Lebenslauf, falschen Darstellung von Karrieren und wahrheitswidrigen Dokumenten und Vorenthaltungen von Zeugnissen eindrucksvoll belegen. Dennoch sollen allein die vollständigen Bewerbungsunterlagen als Grundlage für die Entscheidung über die Einladung zum Vorstellungsgespräch dienen, obwohl sie erst bei einem Treffen mit den Bewerbern auf Mängel untersucht werden können.

Zweifel an den vollständigen Bewerbungsunterlagen

Die vollständigen Bewerbungsunterlagen sind also nicht nur eine unsichere Entscheidungsbasis, sondern bergen auch die Gefahr, dass sie die Ursache für einen falschen Verzicht auf qualifizierte Bewerber sind; sie sorgen möglicherweise dafür, dass die richtigen Bewerber ausgeladen und die falschen Bewerber eingeladen werden.

Bevorzugung des Anschreibens

Das Anschreiben ist die zur Festlegung des Verzichts auf qualifizierte Bewerber bevorzugte Entscheidungsgrundlage: denn es ermöglicht den Bewerbern, dem künftigen Arbeitgeber Originalität und Kreativität zu signalisieren. Beide Eigenschaften sind neben der Qualifikation begehrte Fähigkeiten, die von den Unternehmen überproportional bewertet werden. Deshalb hat sich eine Beraterszene für Bewerber rund um das originelle Bewerbungsanschreiben gebildet.

Originelle Bewerbung

Der originellen Bewerbung werden von den Beratern beste Erfolgsaussichten attestiert. Deshalb sollen die Anschreiben kreativ sein, feurig beginnen und mit Humor die eigene Persönlichkeit beleuchten. Beschriebene Schwächen erregen eine höhere Aufmerksamkeit bei den Recruitern als geschilderte Stärken. Zu 100 Berufen werden den Bewerbern von einschlägigen Beratungsunternehmen im Internet gegen Entgelt spezielle Muster für kreative Anschreiben angeboten.

Bedenken gegen originelle Anschreiben

Bei all der Kreativität im Internet und gegenüber den findigen Beratern sind Bedenken gegen originelle Anschreiben als Grundlage für einen Verzicht auf qualifizierte Bewerber angebracht. Es ist nämlich nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehbar, ob die Anschreiben die eigene oder die von Fremden abgeschriebene Kreativität der Bewerber übermitteln. Auch Profilneurosen der Bewerber sind nicht ausgeschlossen. Diese Zweifel gehen leider zu Lasten der selbst kreativen Bewerber.

Zusammenfassung zum Verzicht auf qualifizierte Bewerber

Der Verzicht auf qualifizierte Bewerber wird durch die Möglichkeiten eingeschränkt, die einen Verzicht überhaupt zulassen.

Dazu gehören:

  • der Eingang zahlenmäßig ausreichender Bewerbungen
  • die Absagen von Bewerbern
  • der Fachkräftemangel
  • der Kampf um Talente
  • Vorgaben für Bewerbungsverfahren.

Definiert ist der Verzicht durch die Nicht-Einladung zu Vorstellungsgesprächen; sie bringt Bewerbungen zum Erliegen oder ist eine vertane Chance für das Kennenlernen qualifizierter Bewerber.  Die automatisierte Nicht-Einladung soll zwar eine Einschränkung des Verzichts bewirken, ist aber im Grunde willkürlich und zufällig.

Die Grundlagen für einen Verzicht auf Bewerber überbewerten die vollständigen Bewerbungsunterlagen und die im Anschreiben dargestellte Kreativität. Da deren Urheber nicht zweifelsfrei zu ermitteln ist, sind sie nicht überzeugend.

Fahrlässiges Umdenken in den HR

Die Entdecker des Verzichts auf qualifizierte Bewerber fordern ein Umdenken in den Personalabteilungen; denn nur so sei der Verzicht auf qualifizierte Bewerber erfolgreich umzusetzen. Allerdings bezweifeln sie selbst, dass sich ein Umdenken in den HR schnell einstellt.

Verzicht und Umdenken

Die Ausführungen zum Verzicht auf qualifizierte Bewerber zeigen, dass ihm Grenzen bis zur Unmöglichkeit gesetzt sind. Ein Eingriff in die Automatik der Einladung zum Bewerbergespräch ist willkürlich und zufällig. Das Vertrauen auf die vollständigen Bewerbungsunterlagen kann zum Verzicht auf die falschen qualifizierten Bewerber führen. Die gewünschte Kreativität als Einstellungsmerkmal ist den Bewerbern nämlich nicht zweifelsfrei zuzuordnen. Ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber darf nicht zum Umdenken in den HR führen.

Folgen des Verzichts für das Umdenken

Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Verzicht auf qualifizierte Bewerber jeder Grundlage entbehrt und ein Umdenken in den HR nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar fahrlässig ist. Die Folgen dieses Verzichts auf qualifizierte Bewerber dürfen kein Umdenken in den HR auslösen, das sowohl die suchenden Unternehmen als auch die nicht-eingeladenen qualifizierten Bewerber schädigt.

Ergebnis zum fahrlässigen Umdenken

Im Ergebnis ist der Verzicht auf qualifizierte Bewerber die Grundlage für fahrlässiges Umdenken in den HR.

Call-to-Action

Zur weiteren Lektüre werden empfohlen die Blog-Beiträge

sowie die Beraterbriefe auf www.kettembeil.de

  • „Achtung Papierform!“, Mai 2007
  • „Verschwiegene Bewerber“, April 2008
  • „Die Angst des Vorgesetzten vor dem Fachmann“, Juli 2009
  • „Kreativität vor Solidität“, August 2018
  • „Gute Bewerber unerwünscht“, Februar 2019.

Fazit

Der Verzicht auf qualifizierte Bewerber folgt aus der Forderung von Recruitern, „nicht automatisch jeden qualifizierten Bewerber (zum Vorstellungsgespräch) ein(zu)laden“. Doch ob ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber möglich ist, bedarf der grundsätzlichen Klärung.

Allein die Zahl der Bewerbungseingänge entscheidet über die Möglichkeit eines Verzichts. Darüber hinaus können Vorgaben für das Einstellungsverfahren einen begrenzenden oder ausschließenden Einfluss ausüben. Sonderregeln gelten für den Mangel an Fachkräften oder für die Talentsuche.

Wird eine Einladung zum Vorstellungsgespräch für einen qualifizierten Bewerber nicht ausgesprochen, ist sie ein Verzicht und beendet auf das Bewerbungsverfahren. Andererseits wird sie zu einer vertanen Chance, qualifizierte Bewerber kennengelernt zu haben. Die automatisierte Nicht-Einladung, als Begrenzung gedacht, kennt keine Kriterien und ist daher willkürlich und zufällig.

Die vollständigen Bewerbungsunterlagen müssen zur Entscheidungsgrundlage für das gesamte Bewerbungsverfahren hochgestuft werden, damit ein Verzicht auf qualifizierte Bewerber ausgesprochen werden kann. Sie sind allerdings keine sichere Basis, weil sie der Verifizierung durch Vorstellungsgespräche bedürfen. Auch das Anschreiben ist eine unsichere Grundlage; denn die darin enthaltene Kreativität ist nicht zweifelsfrei zuzuordnen und darf deshalb für einen Verzicht nicht ausschlaggebend sein.

Die Entdecker des Verzichts auf qualifizierte Bewerber benötigen für die Durchsetzung ihrer Idee ein Umdenken in den Personalabteilungen; allerdings glauben sie selbst, dass es sich nur langsam entwickeln wird.

Doch laut den Erkenntnissen dieses Beitrags ist das gewünschte Umdenken in Wirklichkeit ein fahrlässiges Umdenken in den HR, zu dem es gar nicht erst kommen darf.


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