Das politische Krisenmanagement wird durch zwei Richter symbolisiert, der eine mahnt, der andere bestimmt.

Politisches Krisenmanagement enthält Tücken für Betriebe, auch wenn sie nicht beabsichtigt sind. Die Tücken machen sich meistens erst nach dem Erlass der Maßnahmen bemerkbar; denn danach fallen die Kollateralschäden auf, oder es melden sich ungewollt betroffene Unternehmen oder Branchen. Ob in diesen Fällen das betriebliche Krisenmanagement gegensteuern kann, hängt viel von der Hinterhältigkeit der Tücke ab.

Politisches Krisenmanagement

Das politische Krisenmanagement ist eine umfassende Aufgabe der politisch Verantwortlichen. Deshalb ist der Begriff „politisches Krisenmanagement“ für diesen Beitrag als gemeinsame Organisation im Bund und in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zu präzisieren. Des Weiteren ist er auf die Corona-Pandemie einzugrenzen, die in vollem Gange ist.

Zuständigkeiten

Die Zuständigkeiten für das politische Krisenmanagement sind auf vier Ebenen angesiedelt. Sie sind eine Interpretation der im Grundgesetz (GG) verankerten senkrechten Gewaltenteilung. Sie ergänzt als historisch bedingte Vorsichtsmaßnahme die im GG ebenfalls festgelegte waagerechte Gewaltenteilung, die aus der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung besteht. Der Staatstheoretiker Montesquieu (1689 – 1755) hatte in seiner Schrift „Vom Geist der Gesetze“ die waagerechte Gewaltenteilung noch als selbstständige staatliche Befugnisse verstanden.

Ebene 1: Bundesländer

Das politische Krisenmanagement gehört zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie für die Beseitigung von bereits eingetretenen Störungen (Gefahrenabwehr). Dafür sind gem. Art 70 GG und Art 30 GG die Bundesländer zuständig. Sie sind deshalb die 1. Ebene für das Polizeirecht und das Ordnungsrecht, das sie je nach den Bedürfnissen des Landes gestalten können.

Ebene 2: Bund

Der Bund bestimmt allerdings die ausschließliche Gesetzgebung gem. Art 73 GG für einzelne Bereiche der Gefahrenabwehr, also auch für das politische Krisenmanagement. Die Abwehr von Infektionen unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art 74 Abs.1 Ziff. 19 GG . Gem. Art 72 Abs. 1 GG  hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit in der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht und das Infektionsschutzgesetz erlassen, das von den Ländern ausgeführt wird.

Ebene 3: „Neue Macht“ der Ordnungsbehörden

Die dritte Ebene sind alle Behörden, die nach den Landesgesetzen für die Gefahrenabwehr zuständig sind. Sie sind während der Corona-Krise eine „Neue Macht“ geworden, weil sie die ordnungsbehördlichen Maßnahmen nach dem bundesweit geltenden Infektionsschutzgesetz und ergänzender landesrechtlicher Bestimmungen freihändig festsetzen.

So verfügte Jena in Thüringen als einzige deutsche Stadt die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit.

Die Stadt München in Bayern verbot auf der Basis von 50 Infektionen pro100.000 Einwohnern den Einlass von Zuschauern in die Allianz-Arena München für das Auftaktspiel der Bundesligasaison 2020/21 am 18.09.20 zwischen Bayern München und Schalke 04.

Die Stadt Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen untersagte auf der Grundlage von 35 Infektionen pro 100.000 Einwohnern, Zuschauer zum Bundesligaspiel Schalke 04 gegen Werder Bremen am 26.09.20 auf Schalke zuzulassen.

Die „Neue Macht“ der Ordnungsbehörden fördert „Kleine Könige“, die für einen bundesweiten Flickenteppich der Corona-Gefahrenabwehr verantwortlich sind.

Ebene 4: „Neue Macht“ der Bundesländer

Die „Neue Macht“ sind auch die Bundesländer selbst, wenn sie sich nur unvollkommen an die mit der Bundeskanzlerin und den anderen Ländern verabredeten Maßnahmen halten.

Beispiel Schleswig-Holstein

So hatte die Runde der Länderchefs am 29.09.20 verabredet, falsche Kontaktangaben der Gäste bei Restaurantbesuchen mit einem Bußgeld von mindestens 50 Euro zu ahnden. Doch die Landesregierung von Schleswig-Holstein beschloss unter Berufung auf die eigene Souveränität des Bundelandes ein abweichendes Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro.

Beurteilung des Beispiels

Die Landesregierung hat die verabredete Mindestsumme des Bußgeldes verzwanzigfacht. Sie hat vereinbarungsgemäß diese Zahl nicht unterschritten, aber im Übermaß überschritten. Sie hat damit gegen das Übermaßverbot verstoßen, dass die Unverhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe verbietet und dem sie als öffentliche Gewalt unterworfen ist.

Ausblick des Beispiels

Die „Neue Macht“ der Bundesländer hat Schleswig-Holstein beansprucht, um gegen die Verabredung der Bundesländer ein unverhältnismäßiges Bußgeld im eigenen Land festzulegen. Ob das Beispiel Schule macht oder gar vor Gericht kommt, ist noch nicht abzusehen.

Die „Neue Macht“ als Trend in den Bundesländern

Die „Neue Macht“ als Trend in den Bundesländern deutet zwar auf eine Erweiterung der Länderbefugnisse, aber auch auf deren Beschränkung hin.

Waren zunächst Bayern und das Saarland mit der Verschärfung der Ausgangsverbote aus der Ländervereinbarung zum Lockdown ausgeschert, bildet sich nun ein Widerstand gegen unnötige Einschränkungen. Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen mit Brandenburg bestehen aufgrund sehr geringer Infektionszahlen auf einem daran angepassten Gestaltungsrecht.

Tücke der Zuständigkeiten

Eine nicht unerhebliche Tücke im politischen Krisenmanagement geht für die Betriebe von den Zuständigkeiten aus. Die Aufteilung von Zuständigkeiten zwischen den Ländern und dem Bund war als weitere Form sich gegenseitig kontrollierender Gewaltenteilung gedacht.

Stattdessen werden die Zuständigkeiten nicht mehr nur zur gegenseitigen Kontrolle der Gewalten genutzt. Sondern sie dienen darüber hinaus zum Aufbau für die „Neue Macht“. Dadurch entstehen eigene Ebenen, die unvorhersehbare und damit tückische Entscheidungen zu Lasten von Betrieben und Bürgern treffen können.

Entscheidungsfindung im politischen Krisenmanagement

DDem CoronaBundeskabinett und den Länderregierungen kommt die Entscheidungsfindung zum politischen Krisenmanagement in der Corona-Krise zu.

Gremien der Entscheidungsfindung

Die Entscheidungsfindung zum politischen Krisenmanagement in der Corona-Krise kommt für die Bundesrepublik dem CoronaBundeskabinett und den Länderregierungen zu.

Gremien im Bund

Die Gremien im Bund sind das kleine und das große Corona-Kabinett. Dem kleinen Corona-Kabinett gehören dem neben der Bundeskanzlerin die Minister oder Ministerinnen der Finanzen, des Inneren, des Auswärtigen Amtes, der Verteidigung, für Gesundheit und der Chef des Bundeskanzleramtes an. Das große Corona-Kabinett besteht zusätzlich aus themenbezogenen Fach-Ministerien.

Gremien in den Ländern

Die Landesregierungen der Bundesländer können eigene Corona-Kabinette bilden, sofern es die Gefahrenabwehr der Pandemie erfordert.

Gemeinsame Gremien

Das wichtigste der gemeinsamen Gremien sind die Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder. Es kann durch das Corona-Kabinett und Sachverständige ergänzt werden. Problematisch an der grundgesetzlich geforderten Zusammensetzung ist die Unterschiedlichkeit der Bundesländer nach Einwohnerzahl und Struktur. So hat Nordrhein-Westfalen (NRW) 40mal so viele Einwohner wie die Freie Hansestadt Bremen. Bremen ist zudem strukturell eine Stadt und nicht wie NRW ein Flächenland.

Zur Umsetzung der beschlossenen Krisenmaßnahmen können weitere Gremien gebildet werden.

Entscheidungsfindung am Beispiel

In der Runde der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten der Länder folgt der Verlauf der Entscheidungsfindung psychologischen Prozessen. Das gilt auch im politischen Krisenmanagement zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Sie interessieren, weil sie Hinweise auf die Tücken für die Betriebe geben, die in den Entscheidungen dieses Gremiums verborgen sind.

Treffen im März 2020

Das erste Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder und dem Corona-Kabinett fand Mitte März 2020 statt. Anwesend waren auch Berater unterschiedlicher Fachrichtungen, vor allem aber der Virologie. Über den Ablauf ist offiziell nichts verlautbart worden; aber am Rande wurden einige inoffizielle Aspekte bekannt, die zu erörtern sind.

Sachverhalt

Die Corona-Krise erforderte zum politischen Krisenmanagement ein erstes Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin Mitte März 2020 in Berlin. Außerdem waren die Innenminister angereist, um sich gesondert zu besprechen.

Vor den jeweiligen Terminen gingen die Ministerpräsidenten und die Innenminister davon aus, dass keine wichtigen Beschlüsse zu fassen seien. Bei den Innenministern blieb diese Einschätzung erhalten. Desto erstaunter waren sie, als sie später von den Ministerpräsidenten über deren gravierende Entscheidungen zur Gefahrenabwehr der Pandemie erfuhren.

Die Sitzung

Die Sitzung bei der Bundeskanzlerin, an der auch ein Beraterstab unterschiedlicher Ausrichtungen teilnahm, verlief zunächst entspannt. Die Situation verkrampfte sich, als ein Virologe ein Schreckensszenario zum Coronavirus ausmalte.

Dazu schilderte er die Auswirkungen der Spanischen Grippe auf die Bevölkerung Kaliforniens vor 100 Jahren. Unter dem Eindruck dieser Ausführungen drehte sich die Stimmung in Richtung auf strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.

Die Beschlüsse

Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung wurde zum obersten, alle anderen Grundrechte einschränkenden Ziel der Gefahrenabwehr bestimmt.

Einheitlich wurde beschlossen:

  1. die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zur Genehmigung zusätzlicher Kompetenzen aufzufordern
  2. einen bundesweiten Lockdown mit der Möglichkeit der Verlängerung auszurufen
  3. finanzielle Hilfen zur Überbrückung der Corona-Krise an Unternehmen zu gewähren.

Vor der Presse erklärte später ein Ministerpräsident, er habe sich bis zuletzt gegen zu einschneidende Maßnahmen gewehrt. Schließlich habe er aber zugestimmt, weil er nicht als einziger gegen die Meinung aller anderen agieren wollte. Im Übrigen seien die widerstreitenden Meinungen der Berater nicht nur keine Hilfe, sondern im Gegenteil verwirrend gewesen.

Beurteilung

Ob sich das Treffen genauso abgespielt hat, wie geschildert, ist für die Beurteilung ohne Bedeutung. Wichtig ist der Ablauf hinsichtlich der Entscheidungsfindung bei fehlender und ungesicherter Information über die Auswirkungen der Pandemie. Der anwesende Virologe hat sich in den folgenden Wochen und Monaten mehrfach selbst widersprochen. Andere Virologen haben abweichende Statements abgegeben. Im Übrigen haben sich die Abläufe in den folgenden Sitzungen verändert. „Kleine Könige“ und „Neue Macht“ in den Bundesländern beweisen diese Entwicklung.

Massenpsychologische Analyse

Der massenpsychologische Ansatz zur Beurteilung des Treffens bietet sich an, weil die Zahl der Teilnehmer und deren unterschiedliche Qualifikationen keine einheitliche Entscheidungsfindung zulassen.

Der Literat

Schon 1873 hatte Henri Guy de Maupassant (1850-1893) in „Menschenmengen“ festgestellt: „dass sich … eine Art Harmonie zwischen der eigenen Empfindungsweise und jener des übrigen Publikums eingestellt hat. … trotz Ihres (der Verfasser) Widerstandes …“.

Der Massenpsychologe

Gut 20 Jahre später, 1895, veröffentlichte Gustave Le Bon (1841-1931) das wohl bekannteste Buch zur Massenpsychologie „Die Psychologie der Massen“. Zum Thema „Beeinflussbarkeit und Leichtgläubigkeit der Massen“ konstatiert er: „In dem Augenblick, da sie zu einer Masse gehören, werden der Ungebildete und der Gelehrte gleich unfähig zur Beobachtung.“

Der Psychoanalytiker

Im Jahre 1921 ergänzt Sigmund Freud (1856-1939) in „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ unter „Suggestion und Libido“: „ … wenn der Einzelne in der Masse seine Eigenart aufgibt und sich von den anderen suggerieren läßt, er tut es, weil ein Bedürfnis bei ihm besteht, eher im Einvernehmen mit ihnen als im Gegensatz zu ihnen zu sein, also vielleicht doch „ihnen zuliebe“.“

Die Gruppendynamiker

Die Fortsetzung der Massenpsychologie in der durch Kurt Lewin (1890-1947) begründeten Gruppendynamik kennt die gemeinsame Entscheidungsfindung in der Flucht in die Harmonie.

Raoul Schindler (1923-2014) hat ihr ein Interaktionsmodell der Rangdynamik angefügt.

Die Mehrdimensionalität der Rangordnung hat Peter R. Hofstätter (1913-1994) in seiner „Gruppendynamik“ 1957 erörtert.

Dieses mehrdimensionale Modell hat Werner Corell (geb. 1928) in seiner 1966 erschienen „Einführung in die pädagogische Psychologie“ auf das Führungsverhalten des Lehrers und seiner gruppendynamischen Beziehung zur Schulklasse angewandt.

Das massenpsychologische Ergebnis

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Leichtgläubigkeit hinsichtlich der Schilderung der Spanischen Grippe und das Bedürfnis nach Harmonie massenpsychologisch die Entscheidungsfindung der Kanzlerin-Runde mit den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen beeinflusst haben.

Über die Auswirkungen der gruppendynamischen Rangfolge und ihrer Mehrdimensionalität im Entscheidungsgremium ist nichts bekannt. Allerdings fällt auf, dass der verbotsfreudige bayerische Ministerpräsident nicht nur öffentlich die Kanzlerin lobt. Er ruft auch zur Durchsetzung einschneidender Maßnahmen ständig nach Einberufung der massenpsychologisch belasteten Runde.

Die Tücke der Massenpsychologie

Die Tücke der massenpsychologisch begründeten Entscheidungen ist ihre für Außenstehende nicht nachvollziehbare Willkür. So waren die Innenminister der Länder mehr als erstaunt, als sie von Beschlüssen zum politischen Krisenmanagement der Runde bei der Kanzlerin erfuhren.

Für die Betriebe und andere Betroffene können solche Entscheidungen verheerende Folgen haben. Sie können ihnen nicht einmal mit einem betrieblichen Krisenmanagement wirksam begegnen.

Gesundheit der Bevölkerung

Die Gesundheit der Bevölkerung zum obersten Grundsatz des politischen Krisenmanagements zu machen, ist die wichtigste, aber oft kritisierte Entscheidung des Corona-Kabinetts und der Länderregierungen. „Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ gem. Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird allen anderen Grundrechten vorgezogen. Der Bundestagspräsident hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Unantastbarkeit der Würde des Menschen (Art 1 Abs. 1 GG) der oberste Grundsatz der Verfassung ist. Ihm habe sich auch das Recht auf Gesundheit der Bevölkerung unterzuordnen.

Die TückederBevorzugung des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung vor den anderen Freiheitsrechten war der Ausruf zum Lockdown. Er hatte für viele Betriebe verheerenden Folgen. Das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) brach im August 2020 um 9,7 Prozent ein..

Lockdown

Der Lockdown war die erste umfassende und bisher am tiefsten einschneidende Maßnahme, die vom Corona-Kabinett und den Ministerpräsidenten der Bundesländer als Kontaktsperre zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen wurde.

Die Begrenzung

Zunächst auf einen Monat begrenzt, wurde der Lockdown für ausgewählte Branchen fortgeschrieben, sogar über das Jahresende 2021 hinaus. Ausgenommen waren die sogenannten systemrelevanten Berufe, die von Land zu Land voneinander abwichen. So waren Buchläden nur in Berlin systemrelevant, Baumärkte aber nicht in Bayern.

Die wirtschaftlichen Folgen

Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown waren ein Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um fast 10 Prozent, ein Rückgang der Kaufkraft und viele unnötige Firmen-Insolvenzen.

Die Herkunft des Begriffs

„Lockdown” ist ein Begriff des Strafvollstreckungsrechts, der das Einschließen besonders gefährlicher Straftäter im unteren Teil der Strafanstalt beschreibt. Er richtet sich an die Täter und nicht an die Opfer. Täter ist das Corona-Virus, aber nicht die Bevölkerung, die – wenn auch zu ihrem angeblichen – Schutz eingeschlossen werden soll. Sie ist nämlich das Opfer der Pandemie.

Die rechtsphilosophischen Bedenken gegen die Begriffsverwendung

Deshalb bestätigt die Verwendung dieses Begriffs die rechtsphilosophischen Bedenken gegen die Verwendung des Begriffes „Lockdown“ von José Ortega y Gasset (1883-1955) . In „Aufstand der Massen“ schreibt er, dass die Bevölkerung als Gesellschaft ihr Leben nach den Vorgaben des Staates auszurichten hat (1958, Kapitel „Die größte Gefahr – Der Staat“).

Michel Foucault (1926-1984) ergänzt 1993 in „Überwachen und Strafen“ nach seiner Beschreibung der Pest: „Die Pest … ist die ideale Ausübung der Disziplinierungsmacht.“ (Kapitel „Der Panoptismus“)

Die Tücke des Lockdown

Die Tücke des Lockdown für die Betriebe ist sein unvorhersehbares Auftreten und seine rigorose Wirkung auf Firmen, auch wenn sie nicht in seinem Focus sind.

So hat der Lockdown die Autohäuser als Kontaktstellen des persönlichen Kaufs von Autos geschlossen. Die Auto-Hersteller reduzierten ihre Produktion, weil die unverkauften Halden von Autos nicht abgebaut wurden. Der Zulieferbetrieb kam zum Erliegen. Die Kurzarbeit senkte die Kaufkraft, so dass noch ganz andere Branchen in Mitleidenschaft gerieten.

Auch wenn das politische Krisenmanagement künftig einen Lockdown vermeiden will, können steigende Infektionszahlen andere Maßnahmen mit ähnlich tückischer Wirkung auslösen.

Finanzieller Ausgleich

Ein finanzieller Ausgleich Corona bedingter Beeinträchtigungen bei Firmen wurde von dem Corona-Kabinett zeitgleich mit dem Lockdown beschlossen und in Kraft gesetzt.

Einschränkungen

Einschränkungen ergaben sich aus den Durchführungsverordnungen für die Umsetzung des finanziellen Ausgleichs. Einerseits richteten sich die Zahlungen nach dem Ausfall betrieblicher Kosten und blendeten Einkommensverluste aus. Dadurch wurden kostenarme, aber vom Umsatzausfall in Mitleidenschaft gezogene Betriebe nicht unterstützt. Es traf Dienstleistungsfirmen oder Ein-Mann-Unternehmen. Zusätzlich erhielten die Betriebe dringend benötigte Zahlungen zu spät.

Wettbewerbsverzerrungen

Wettbewerbsverzerrungen waren die Folge des finanziellen Ausgleichs. Die Zahlungen begünstigten ihre Empfänger gegenüber den Wettbewerbern ungerechtfertigt. „Zombies“ wurden aufrechterhalten. Dadurch wurden solvente Unternehmen geschädigt oder sogar in den Ruin getrieben.

Ein Beispiel für die Wettbewerbsverzerrungen sind kleine Reisevermittler. Ihr Marktführer TUI wurde durch staatliche Kredite in Höhe von drei Milliarden Euro am Leben erhalten. So nahm er aufgrund seiner künstlich gestärkten Finanzkraft in dem durch Reiseausfälle enger gewordenen Markt kleineren Reisebüros dringend benötigte Umsätze weg.

Die Tücke des finanziellen Ausgleichs

Die Tücke des finanziellen Ausgleichs für die Betriebe ist die Unüberschaubarkeit. Teils werden sie aus unerfindlichen Gründen von der Unterstützung ausgegrenzt, teils werden sie durch Zahlungen an Wettbewerber in der eigenen Geschäftstätigkeit behindert. So werden „Zombies“ künstlich am Leben gehalten, weil sie wegen Überschuldung keine Insolvenz anmelden müssen.

Zusammenfassung zur Entscheidungsfindung

Die Entscheidungsfindung im politischen Krisenmanagement findet in verschiedenen Gremien statt. Zur Verdeutlichung wurde die erste Zusammenkunft der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer thematisiert so, wie sie laut öffentlicher Berichterstattung abgelaufen sein soll.

Die Interpretation dieser Veranstaltung als politisches Krisenmanagement unter massenpsychologischen Aspekten soll die Tücken für die Betriebe aufdecken, die mit der Entscheidungsfindung und den sich daraus ergebenden Entscheidungen verbunden sind.

Ausgewählt wurden Entscheidungen, die Gesundheit der Bevölkerung als oberstes Ziel auszurufen, einen Lockdown zu verordnen und dessen Schäden durch finanzielle Hilfen zu mildern.

Resümee zum politischen Krisenmanagement

Das Politische Krisenmanagement ist in Deutschland so kompliziert, weil das Grundgesetz neben der waagerechten Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative auch die senkrechte Gewaltenteilung in Bund, Ländern und Gemeinden vorsieht.

Dadurch ergeben sich eigene Zuständigkeiten, zu denen sich in der Bekämpfung der Corona-Krise die „Neue Macht“ der Ordnungsbehörden und der Länder gebildet hat. Hinzu kommen Entscheidungsabläufe, die mit erklärungsbedürftigen Ergebnissen aufwarten.

Am Beispiel einer Sitzung des Corona-Kabinetts mit den Ministerpräsidenten mit einigen gefassten Beschlüssen galt es, die Struktur des politischen Krisenmanagements massenpsychologisch nachzuzeichnen.

Die Tücken für die Betriebe

Die Tücken für die Betriebe ergeben sich beim politischen Krisenmanagement aus seiner unübersichtlichen Struktur und der massenpsychologisch an Willkür grenzenden Entscheidungsfindung. Sie sind aber nur hinzunehmen, wenn die erfolgreiche Gefahrenabwehr zur Erhaltung der Gesundheit nur mit Eingriffen in das Betriebsgeschehen möglich ist.

Der Einfluss der Dauer

Je länger die Pandemie dauert, desto schwieriger wird es, in der Kanzlerin-Runde Deutschland weite Entscheidungen zu treffen. Immer häufiger scheren einzelne Länder aus oder erklären hinterher, sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen halten zu wollen.

Die „Neue Macht“ beginnt sich zu etablieren und die Betriebe vor unvorhersehbare Entwicklungen zu stellen, die alle ihre Tücken haben.

Der strukturelle Einfluss

Strukturellen Einfluss auf diese Entwicklung haben nicht nur massenpsychologische Gesetze und die Persönlichkeitsstrukturen der handelnden Personen, sondern die Unterschiedlichkeit der einzelnen Bundesländer. Die großen Länder haben mehr strukturelle Aspekte – etwa unterschiedliche Industrien oder Branchen – als die kleinen Länder zu berücksichtigen; die Stadtstaaten unterliegen anderen Anforderungen als die Flächenstaaten.

Der Einfluss der Unvollkommenheit

Die Tücken für Betriebe, die aus dem politischen Krisenmanagement entstehen, ergeben sich also nicht nur aus den getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise, sondern bereits aus dem Einfluss der unvollkommenen Überlegungen zur Gefahrenabwehr; denn bei steigernder Zahl von Entscheidungsträgern sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass alle Folgewirkungen der Entscheidungen bedacht werden. So kann schon allein der Standort eines Betriebes ausschlaggebend dafür sein, ob sich eine Maßnahme zur Pandemie-Bekämpfung für ihn als Tücke erweist.

Die Abwehr der Tücken für die Betriebe

Den Tücken für Betriebe ist aus diesen Aspekten beim politischen Krisenmanagement Tür und Tor geöffnet. Ihre Abwehr stößt auf Schwierigkeiten; denn den Tücken zu entkommen, wird nicht immer möglich sein. Doch mit einem vorausschauenden betrieblichen Krisenmanagement lassen sich viele negative Folgen abfangen oder mildern.

Call-to-Action

Zur ergänzenden Lektüre sind die Blog-Beiträge „Betriebliches Krisenmanagement – wichtiger denn je“   und „Zwei-Klassen-Gesellschaft während Corona / Spot September 2020“ zu empfehlen.

Fazit

Das politische Krisenmanagement hält Tücken für die Betriebe bereit, die nicht alle mit dem betrieblichen Krisenmanagement zu lösen sind; denn das oberste Ziel ist die Erhaltung der Gesundheit, das auch betriebliche Insolvenzen in Kauf nimmt.

Ein struktureller Grund für die Tücken des politischen Krisenmanagements für die Betriebe sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten, die der im Grundgesetz verankerten, vertikalen Gewaltenteilung geschuldet sind. Aus ihnen hat sich eine „Neue Macht“ entwickelt, die unter Bezug auf ihre eigene Souveränität die Ebene der Gewaltenteilung zunehmend verlässt. Dadurch steigt die Zahl der Zuständigkeiten an, aber nicht die Gewähr für sachliche Abwehrmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Die Tücken für Betriebe durch das politische Krisenmanagement nehmen zu.

Die Entscheidungsfindungen zur Gefahrenabwehr in der Corona-Krise folgen massenpsychologischen Gesetzen, weil sie in Gremien ablaufen. Beispiele sind das Corona-Kabinett, die Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, die Länderkabinette oder die Leitungen der Ordnungsbehörden. Auch sie halten Tücken für Betriebe bereit.

Die Maßnahmen des politischen Krisenmanagements können zur Gefahrenabwehr der Corona-Krise in die betriebliche Organisation eingreifen und sogar für Insolvenzen verantwortlich sein; denn oberstes Gebot ist die Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung. Dagegen und gegen die damit verbundenen Tücken mag das betriebliche Krisenmanagement machtlos sein, aber es liefert ihnen die Betriebe nicht ohne Gegenwehr aus.


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