Altersdiskriminierung durch Digitalisierung greift bei Einstellungsgesprächen zu Arbeitsverhältnissen immer stärker um sich. Digitalisierung entwickelt sich zum Einstellungskriterium, ältere Bewerber auszugrenzen; denn Personen ab dem Lebensalter von spätestens Mitte 50 eilt das Vorurteil voraus, altershalber den Anforderungen der Digitalisierung nicht mehr gewachsen zu sein. Beweise des Gegenteils scheitern an den bornierten Ansichten oberster Firmenführer. Eine mündlich formulierte Anweisung zur Altersdiskriminierung durch Digitalisierung lässt den nachgeordneten Personalabteilungen keinen Spielraum zurUmgehung.
Altersdiskriminierung durch Digitalisierung im Bewerbungsverfahren
Um seine Zukunftsfähigkeit abzusichern, hatte ein Verlag für Telefonbücher und Kataloge die neue Stelle „Leiter Digitalisierung“ eingerichtet und ausgeschrieben. Mit der Personalbeschaffung hatte der Vorstand des Unternehmens eine Personalerin um die Dreißig betraut. Sie arbeitete wegen Corona im Homeoffice.
Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch
Nachdem ein 58jähriger Bewerber seine Unterlagen eingereicht hatte, erhielt er einige Zeit keine Nachricht. Deshalb fragte er den Zwischenstand an. Die Personalerin vertröstete ihn auf einen festen Termin.
Weil der Bewerber ein Vorstellungsgespräch per Videochat unterstellte, passte er seine Garderobe dem Anlass an. Zusätzlich sorgte er für einen neutralen Hintergrund. Danach nahm er pünktlich Kontakt über Skype zur Personalerin auf. Allerdings traf er nicht auf ungeteilte Freude.
Das Vorstellungsgespräch
Der Internetanruf erreichte die Personalerin in ihrem Homeoffice. Sie selbst war mit einem Schlabber-T-Shirt bekleidet. Auch ihre Frisur deutete nicht auf Office, sondern nur auf Home hin. Der Raum war unaufgeräumt, doch die Bewerbungsunterlagen lagen griffbereit.
Unwirsch fragte die Personalerin den Bewerber, wie er auf die Idee gekommen sei, sie anzuskypen und wie er überhaupt das Bild-Telefonat zustande gebracht habe. Der Kandidat konterte, dass man einem Bewerber auf die Stelle „Leiter Digitalisierung“ in einem Telefonbuchverlag Kenntnisse der Internet-Telefonie unterstellen könne. Dazu gehöre auch das Wissen um die Einrichtung privater Telefonverzeichnisse und deren Verwendung durch die Nutzer. Schon mit dieser Antwort hatte der Bewerber die Personalerin überfordert.
Da die Personalerin das Gespräch schnell beenden wollte, informierte sie den Kandidaten über die Absage im Bewerbungsverfahren mit den üblichen nichtssagenden Ausreden. Doch der Bewerber blieb standhaft, fragte nach den wirklichen Gründen und hatte damit Erfolg.
Begründung der Altersdiskriminierung durch Digitalisierung
Der Vorstand des Medienunternehmens habe der Personalerin die Personalbeschaffung der neuen Stelle in einem persönlichen Gespräch übertragen. Dabei habe er sie mündlich angewiesen, niemanden zur Einstellung vorzuschlagen, der älter als 55 Jahre sei. Solche Leute seien für die Digitalisierung zu alt, auch wenn sie das Gegenteil behaupteten. Schließlich sei mit der Stelle auch die Aufgabe verbunden, neue zukunftsfähige Produkte zu entwickeln. Der Vorstand, selbst 60jährig, wisse, wovon er spreche.
Zurückweisung der Altersdiskriminierung durch Digitalisierung
Ohne von der Rücknahme der Absage durch die Personalerin auszugehen, wies der Bewerber die Personalerin auf seine erfolgreichen Einführungen der Digitalisierung bei Firmen unterschiedlicher Branchen hin. Sie bildeten seine praktische Erfahrung zur Entwicklung digitaler Neuheiten; denn neue Produkte im Print würden die wirtschaftliche Lage des Telefonbuchverlages nicht verbessern. Über die dazu notwendigen Berufserfahrungen verfügten aber eher ältere Leute. Die vom Vorstand verfügte Altersgrenze sei deshalb kontraproduktiv.
Kritik unter verschiedenen Aspekten
Die geschilderte Altersdiskriminierung durch Digitalisierung ist unter verschiedenen Aspekten zu kritisieren.
Abschwung von Print
Print befindet sich schon lange im wirtschaftlichen Abschwung. Die Corona-Pandemie trägt dazu noch bei, weil die Print-Werbung Corona bedingt weitere Einbußen erlitten hat. Der genannte Verlag für Kataloge und Telefonbücher ist von diesem Rückgang dadurch betroffen, dass der Bedarf an Print-Katalogen zurückgegangen ist.
Nicht nur das Ausbleiben des Print-Geschäftes, sondern auch das geänderte Nutzungsverhalten in der Telefonie haben die Telefonbuchverlage in Schwierigkeiten gebracht. An den herkömmlichen Telefonbüchern besteht kaum noch Interesse.
Fokus auf Digitalisierung
Um den Abschwung abzubremsen, hat der Vorstand des Verlages den Fokus auf Digitalisierung gelegt und die Stelle des „Leiter Digitalisierung“ ausgeschrieben. Er kann mit der Ausschreibung allerdings nicht bis zum Ende der Corona-Pandemie warten; denn er benötigt dringend neue Produkte, die dem Nutzerverhalten zur Telefonie mit Smartphone, Tablet oder Laptop gerecht werden.
Homeoffice
Dem Homeoffice, das der Corona-Pandemie geschuldet ist, sei nur eine Randnotiz gewidmet. Das unterschiedliche Auftreten von Personalerin und Bewerber, ihre Garderobe und das auf dem Bildschirm sichtbare Umfeld markieren die Schwachstellen des Homeoffice.
oHomeofficeEs ist für die Personalbeschaffung einer für die Zukunft des Verlages wichtigen Stelle denkbar ungeeignet.
Stellenbeschreibung
Der Inhalt der neuen Stellen hat sich der Personalerin offenbar nicht in vollem Umfang erschlossen. Zu Recht macht der Bewerber darauf aufmerksam, dass die Digitalisierung nur ein Teil der Aufgabe ist.
Wichtiger ist die Entwicklung neuer Produkte auf der Basis der Digitalisierung, die sich vor allem am Nutzerverhalten auszurichten hat.
Altersdiskriminierung
Die der Personalerin mündlich durch den Vorstand verordnete Altersgrenze für die Einstellung ist glasklare Altersdiskriminierung. Sie basiert auf einem Vorurteil, das sich aus der eigenen Unfähigkeit des Vorstandes ergibt.
Sie ist nicht nur verboten, sondern sogar für den Verlag schädlich; denn die Altersdiskriminierung durch Digitalisierung grenzt qualifizierte Bewerber aus, die auf dem Gebiet der Digitalisierung sehr gesucht sind.
Zukunftsfähigkeit
Mit der Besetzung der neu entstanden Stelle „Leiter Digitalisierung“ will der Vorstand seinen Verlag für Kataloge und Telefonbücher zukunftsfähig machen. Er wartet sogar das Ende der Corona-Pandemie nicht ab.
Allerding ist fraglich, ob die Zukunftsfähigkeit für den Verlag ausreicht; denn durch die Rückgänge in der Print-Werbung und das geänderte Nutzerverhalten in der Telefonie kämpft der Verlag um sein Überleben.
Durch Altersdiskriminierung geeignete Bewerber auszugrenzen, bedroht deshalb seine Zukunftsfähigkeit und vielleicht sein Überleben.
Quintessenz aus der Altersdiskriminierung durch Digitalisierung
Altersdiskriminierung durch Digitalisierung ist mehr als nur eine Altersdiskriminierung von Bewerbern, wie sie im gleichnamigen Blog-Beitrag „Altersdiskriminierung von Bewerbern“ beschrieben ist. Das gesetzliche Benachteiligungsverbot gem. §§ 1, 7, 6 Abs. 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) ist deshalb für einen erforderlichen Kampf gegen die Altersdiskriminierung durch Digitalisierung weder ausreichend noch erfolgversprechend.
Das Benachteiligungsverbot schützt zwar die älteren Bewerberinnen und Bewerber, verändert aber die Gesinnung der Altersdiskriminierenden nicht. Doch genau dieser Gesinnungswandel ist erforderlich und zum Wohle der Unternehmen sogar dringend geboten; nur er nämlich garantiert, dass zur Bewältigung der Digitalisierung auch ältere qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen eingestellt werden; denn ihre speziellen Kenntnisse aus der Praxis helfen den Firmen, sich den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen zu zeigen.
Deshalb ist die Altersdiskriminierung durch Digitalisierung schnellstens aufzugeben.
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