Einen Pyrrhussieg nach einem gewonnenen Gerichtsprozess zu vermeiden, ist für Bewerber eine wichtige Aufgabe; denn sie gehören zu den gefährdeten obsiegenden Parteien. Bewerber kommen häufig erst zu der späten Einsicht, einen gewonnenen Gerichtsprozess lieber nicht geführt zu haben. Sie befürchten, einen Pyrrhussieg zu erleiden; denn die prozessual unterlegene Partei entwickelt ungeahnte Aktivitäten, um die erlittene Schmach auszuwetzen. Deshalb gilt es, rechtzeitig einen Pyrrhussieg der Bewerber zu vermeiden.
Der Pyrrhussieg
Der Pyrrhussieg hat seinen Namen nach Pyrrhos I., dem König der Molosser und Hegemon der Epiroten (319-272 v. Chr.).
Pyrrhus I. von Epiros wurde von Bürgern Tarents um militärische Hilfe gegen die römische Besetzung gebeten. Mit Unterstützung anderer griechischer Könige gewann er 279 v. Chr. bei Asculum in einer verlustreichen Schlacht gegen die Römer.
„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“, ist eine Pyrrhus zugeschriebene Beurteilung seines Erfolges. Mit diesem Ausspruch sorgte er dafür, dass ein verlustreicher Sieg künftig als Pyrrhussieg bezeichnet wurde.
Nicht zu verwechseln ist Pyrrhus I. von Epiros mit der Sagengestalt aus Homers Odyssee, Neoptolemos. Wegen seiner roten Haare erhielt er den Beinamen Pyrrhus.
Streitvermeidung ./. Pyrrhussieg
Streitvermeidung statt Pyrrhussieg ist immer erwägenswert. Sie geht dem Konflikt aus dem Weg, bevor sich der Streit entwickeln kann; denn auch ein gewonnener Streit schließt einen Pyrrhussieg nicht aus.
Hilfsmittel zur Streitvermeidung
Verschiedene Hilfsmittel zur Streitvermeidung stehen den Streitparteien zur Verfügung. Das wichtigste Hilfsmittel ist die Kommunikation mit der Gegenseite. Der anwaltliche Werkzeugkasten ist ein Hilfsmittel, das einen Strauß von Werkzeugen bereithält. Sie sind zu allen Zeiten während des Verfahrens einsetzbar, also nicht auf einzelne Phasen beschränkt. Die anwaltliche Streitvermeidung ist gefordert, wenn alle anderen Hilfsmittel zur Streitvermeidung ausgeschöpft sind.
Hilfsmittel Kommunikation
Das wichtigste Hilfsmittel zur Streitvermeidung ist die Kommunikation.
Deshalb gilt es für die Streitbefangenen, den direkten Kontakt zu suchen. Wichtig ist vor allem, im Gespräch zu bleiben. Dadurch werden persönlicher Ärger, belastende Emotionen, aber auch Geld gespart, die insgesamt die Kosten eines Streits ausmachen. Zur Unterstützung können Berater hinzugezogen, aber auch Vermittler bestellt werden.
Die kommunikative Streitvermeidung macht im besten Fall aus Streithähnen Freunde.
Hilfsmittel anwaltlicher Werkzeugkasten
Der anwaltliche Werkzeugkasten beinhaltet Instrumente, mit denen er zur Streitvermeidung oder Schlichtung beitragen kann. Er setzt die Bestellung eines Rechtsanwalts voraus. Der Streit hat schon begonnen, sich zu konkretisieren.
Die Instrumente sind Mediation, Streitschlichtung, Schiedsgerichtsverfahren, Vergleich und Prozessvergleich. Ihr Einsatz zielt darauf ab, eine gemeinsame einvernehmliche Vereinbarung der streitenden Parteien von Bestand zu erreichen. So kann eine gerichtliche streitige Auseinandersetzung vermieden werden; denn auch sie verliert bei einem Prozessgewinn das Potenzial zum Pyrrhussieg nicht.
Die Instrumente im anwaltlichen Werkzeugkasten helfen bei der Streitvermeidung.
Hilfsmittel anwaltliche Streitvermeidung
Die anwaltliche Streitvermeidung sollte bei jeder Beratung Vorrang haben; denn ein nicht geführter Prozess ist besser als ein gewonnener Prozess. Er kann nicht nachträglich zum Pyrrhussieg werden. Der schlimmste Fall ist ein verlorener Prozess. Damit er nicht eintritt, hat der Rechtsanwalt früh mit der Konfliktvermeidung zu beginnen.
An der anwaltlichen Streitvermeidung sind gute Rechtsanwälte von schlechten Rechtsanwälten zu unterscheiden.
Risiken vor dem Pyrrhussieg
Die Risiken vor dem Pyrrhussieg sind nicht zu unterschätzen. Sie gehen bereits vom anwaltlichen Abwehrschreiben aus, das als erste anwaltliche Maßnahme zur Streitvermeidung beitragen soll. Natürlich ist das Gericht selbst ein Risiko. Das Risiko Rechtsanwalt für einen Pyrrhussieg darf auch nicht unerwähnt bleiben.
Risiko anwaltliches Abwehrschreiben
Ein Risiko für den Mandanten ist ein anwaltliches Abwehrschreiben. Es kann sinnvoll sein, wenn der Gegner einen unberechtigten Anspruch gestellt hat. Der Streit ist im Entstehen, aber seine Vermeidung ist noch möglich.
Das anwaltliche Abwehrschreiben ist eine außergerichtliche Aktion, deren Kostenerstattung nicht unter § 91 Zivilprozessordnung (ZPO) fällt. Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG Nürnberg Az. 3U 1300/07) hat entschieden, dass ein Abwehrschreiben eine vorgerichtliche Maßnahme ist. Seine Kosten zählen deshalb nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits.
Das anwaltliche Abwehrschreiben ist für den Mandanten eine Maßnahme zur Streitvermeidung, deren Risiko und Kosten zu seinen Lasten gehen.
Risiko Gericht
Immer ein Risiko ist der Gang vor Gericht. Schon der Volksmund sagt: „Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand. (Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei )“ Drei Fälle sollen das Risiko beleuchten.
Fall 1: Boris Becker
Wegen Insolvenzverschleppung musste sich Boris Becker vor dem Southwark Crown Court, London, verantworten. Die Jury sprach ihn in 24 Anklagepunkten für schuldig.
Drei Wochen später verkündigte am 29. April 2022 die als knallhart geltende Richterin Deborah Taylor das Urteil: zweieinhalb Jahre Gefängnis. Im Mai 2019 hatte sie bereits Julian Assange, den Gründer von Wikileaks, wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen zu 50 Wochen Haft verurteilt. Auch dieses Urteil gilt als hart. Aus dieser Vorgeschichte war auf eine unvergleichliche Härte der Richterin zu schließen. Trotzdem legte Becker kein Rechtsmittel ein.
Boris Becker lief das Risiko, dass eine strenge Richterin auch ihn hart bestrafen werde.
Fall 2: Johnny Depp
Vor dem Schwurgericht in Fairfax, Virginia (USA) wurde ein Fall häuslicher Gewalt des Schauspielers John „Johnny“ Christopher Depp II gegen seine ehemalige Ehefrau Amber Heard verhandelt. Die den Prozess begleitenden öffentliche Atmosphäre war aufgeheizt und vor allem auch wegen der MeToo-Bewegung deutlich gepalten. Die siebenköpfige Jury aus fünf Männern und zwei Frauen sprach Johnny Depp am 1. Juni 2022 einstimmig vom Vorwurf der häuslichen Gewalt frei.
Allerdings wurde Depp trotzdem zu Zahlungen verurteilt; denn sein Anwalt hatte Amber Heard beleidigt. Sein Rechtsanwalt, nicht das Gericht, war für diese Zahlung das Risiko.
Für Johnny Depp hätte das Gericht wegen des weltöffentlichen Interesses ein Risiko sein können.
Fall 3: Ronald Schill
Der Fall Ronald Schill zeigt den Genannten in den drei Facetten als Richter, als Opfer und als Politiker.
Richter Ronald Schill
Während der Zeit des SPD-Politikers Ortwin Runde als Erster Bürgermeister von Hamburg war die Kriminalität in der Stadt aus dem Ruder gelaufen. Ronald Schill war am Amtsgericht als Strafrichter tätig. Mit seinen Urteilen bestrafte er nicht nur die Angeklagten, sondern sorgte auch für Abschreckung. Er verdiente sich mit seinen harten Entscheidungen den Titel „Richter Gnadenlos“.
Opfer Ronald Schill
Opfer wurde Ronald Schill, weil ihn das Landgericht wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe verurteilte. Seine Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Landgericht Hamburg. Schill wurde bei der neuen Verhandlung freigesprochen.
Politiker Ronald Schill
Aufgrund seiner Popularität als Richter gründete Schill die Partei Rechtsstaatliche Offensive, auch „Schill-Partei“ genannt. Er versprach die Halbierung der Kriminalität, wenn man ihm freie Hand lasse. Außerdem werde er 200 Polizisten neu einstellen.
Bei der Bürgerschaftswahl Hamburg 2001 erreichte die Schill-Partei mit 19,4 Prozent der Stimmen den dritten Platz. Mit der CDU, die mit 26, 2 Prozent auf Platz zwei gekommen war, wurde Ole von Beust zum Ersten Bürgermeister gewählt. Schill wurde Zweiter Bürgermeister und Innensenator. Die SPD als stärkste Partei mit 36,5 Prozent der Stimmen fand sich in der Opposition wieder.
Als Innensenator stellte Schill zusätzlich 250 Polizisten ein und ernannte den als hart geltenden Hartmut Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei. Außerdem holte er den Münchner Polizeidirektor Udo Nagel als Polizeipräsidenten nach Hamburg. Im ersten Jahr seiner Amtszeit senkte Schill die Kriminalitätsrate um 16,5 Prozent.
In seiner Rolle als Richter war Schill wegen seines Plans, mit Abschreckung die Kriminalitätsrate zu senken, ein Risiko für die Angeklagten. Als ihm dabei Rechtsbeugung unterstellt wurde, lernte er als Opfer das Risiko Gericht kennen. Als Innensenator senkte er frei von Risiko die Kriminalitätsrate in Hamburg.
Bewertung zu Risiko Gericht
Die Fälle zum Risiko Gericht zeigen deutlich, dass die Gerichte für die Gerichtsparteien durchaus ein Risiko sein können. Natürlich basiert es auch auf dem Prinzip des Zufalls, das den gesetzlichen Richter bestimmt.
Boris Becker hatte das Pech, vor eine nachweislich strenge Richterin zu kommen. Er hat sein Risiko noch erhöht, indem er sich im Prozess falsch verhalten hat. Die harte Richterin hat ihm seine Fehler in der Urteilsbegründung vorgehalten. Deshalb tat Becker gut daran, auf Rechtsmittel zu verzichten. Damit beschwor er auch kein neues Risiko Gericht vor der nächsten Instanz herauf.
Johnny Depp hatte Glück. Sein Gericht hielt dem Druck der öffentlichen Meinung stand. Gerade die MeToo-Bewegung war ein Risiko. Sie kommt bei ihren Beschuldigungen ganz ohne Beweise aus, weil ihr bloße Behauptungen reichen. Da aber die Schöffen beiderlei Geschlechts einstimmig zum abweisenden Urteil fanden, war das Risiko Gericht für Depp minimiert.
Ronald Schill wurde mit seinen harten Urteilen zum Risiko, weil er mit ihnen die steigende Kriminalitätsrate zusätzlich bekämpfen wollte. Dieser Einsatz wurde ihm zunächst zum Verhängnis; denn das Landgericht Hamburg verurteilte ihn wegen Rechtsbeugung. Dieses mit dem Lokalkolorit verbundene Risiko Gericht wurde durch den Sitz des 5. Strafsenats des BGH in Leipzig aufgehoben. Das Verfahren wurde unter Beachtung der Hinweise des BGH an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen. Seit Schill kein Richter mehr war, schied er als Risiko Gericht aus. Doch als Innensenator senkte er mit politischen Mitteln, also nicht mehr durch abschreckende Strafurteile, die Kriminalitätsrate in Hamburg.
Die drei Fälle beweisen, dass von den Gerichten Risiken ausgehen, nämlich für Boris Becker, Amber Heard und Ronald Schill. Das Risiko Gericht zu vermeiden, heißt, nicht nur für Bewerber als Hochrisikogruppe, Pyrrhussiegen zu entgehen.
Risiko Rechtsanwalt
Dem Thema „Risiko Rechtsanwalt“ hat Uwe Wesel gleich ein ganzes Buch gewidmet. So sind Rechtsanwälte zwar zu Richtern, aber nicht zu Rechtsanwälten ausgebildet. Richter spezialisieren sich zudem noch in ihrem Berufsleben.
Rechtsanwälte müssen sich außerhalb ihrer Qualifikation als Fachanwalt mit oft unbekannten Rechtsfragen beschäftigen. Verstärkt durch die eigene Arbeitsbelastung können sie zur Fehleinschätzung des Prozessrisikos kommen. Spätestens dann werden sie zum Risiko für ihre Mandanten, aber auch für sich selbst; denn Ansprüche auf Schadensersatz lauern ständig. Diese Ansprüche können von ihren eigenen Mandanten über anwaltliche Kollegen erhoben werden. Dann wächst sich das Risiko Rechtsanwalt zum kollegialen anwaltlichen Risiko aus.
Das Risiko Rechtsanwalt ist permanent vorhanden. Es begleitet den Mandanten von der Suche nach einem Rechtsanwalt bis zur Erledigung des Rechtsfalles. Im Zweifel ist es berufslebenslanger Begleiter des Anwalts selbst.
Zusammenfassung zu „Streitvermeidung ./. Pyrrhussieg„
Streitvermeidung statt Pyrrhussieg macht deutlich, dass eine Streitvermeidung auch einem streitigen Sieg vor Gericht vorzuziehen ist. Die Kommunikation ist das wichtigste Hilfsmittel der Streitvermeidung. Um zum Ziel zu kommen, müssen die Parteien miteinander im Gespräch bleiben. Dazu können sie sich beraten lassen oder Vermittler beauftragen. Auch wenn sie bereits Rechtsanwälte beschäftigen, ist eine Streitvermeidung möglich; denn Anwälte halten einen entsprechenden Werkzeugkasten bereit, der allerdings nicht ohne Risiko ist.
Ein nicht geführter Gerichtsprozess ist aber immer noch besser als ein gewonnener Prozess; denn ein Risiko für die Streitvermeidung ist das Gericht, wie die drei beschriebenen Fälle von Boris Becker, Johnny Depp und Ronald Schill beweisen. Daneben bleibt trotz der Streitvermeidung durch anwaltliche Hilfe das Risiko Rechtsanwalt bestehen. Die Risiken der Streitvermeidung sind zwar nicht auszuschließen; sie sind aber einzugehen, damit ein Pyrrhussieg keine Chance erhält.
Bewerberklage und Bewerbungsfolgeklage ./. Pyrrhussieg
Bewerberklage und Bewerbungsklage ermöglichen einen Pyrrhussieg, wenn die Streitparteien die Sache auf sich beruhen zu lassen. Der Regelfall ist aber der Gang vor Gericht. Um trotz Obsiegen im Prozess einen Pyrrhussieg vermeiden zu können, muss der Bewerber die Folgen seiner Klagen abschätzen.
Bewerberklage
Eine Bewerberklage ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen.
Ablehnungsklage
Eine Ablehnungsklage ist riskant, weil es eine Klage gegen den Arbeitgeber ist. Der Arbeitgeber hat die Bewerbung auf ein Arbeitsverhältnis abgelehnt. Zwar führt ein Prozessgewinn des Bewerbers nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages; aber das Umfeld des Arbeitsverhältnisses bleibt erhalten.
Der Bewerber gilt gem. § 6 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Beschäftigter. Deshalb befindet er sich in der Vorstufe eines personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, in dem der Arbeitgeber ein Direktionsrecht hat. Diese Gemengelage begünstigt Konstellationen, die im rechtlichen Graubereich angesiedelt sind. In ihr dominieren unklare Kompetenzen und Gerüchte, die einen Streit des Bewerbers mit dem Arbeitgeber nicht zweckmäßig erscheinen lassen.
Das Risiko einer Ablehnungsklage liegt für den Bewerber in dem Umstand, dass er sich bei demselben Arbeitgeber ein zweites Mal etwa auf eine andere Stelle bewerben möchte. Dieser Umstand trifft auch dann zu, wenn er als Fachkraft dringend gebraucht würde. Ein Willkommen dürfte ausgeschlossen sein. Außerdem kann die vom Arbeitgeber befeuerte Gerüchteküche den Bewerber als Prozesshansel dastehen lassen. Dadurch werden Bewerbungen bei anderen Firmen erschwert, wenn nicht verhindert.
Das Risiko bei einer Ablehnungsklage geht allein von der Einreichung der Klage aus. Ein gewonnener Prozess des Bewerbers ist nicht Bedingung für einen Pyrrhussieg.
Benachteiligungsklage
Die Benachteiligungsklage ist ein Sonderfall der Ablehnungsklage.
Der Schutz der Bewerber vor „Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§ 1 AGG) ist in §§ 6 ff AGG geregelt. Ergänzt wird der Schutz durch die Rechte des Beschäftigten auf Beschwerde (§ 13 AGG), Leistungsverweigerung (§ 14 AGG), Schadensersatz (§ 15 AGG) und Schutz vor Maßregelungen (§ 16 AGG).
Die umfassenden Schutzvorschriften vor Benachteiligung schränken auch das Risiko des klagenden Bewerbers vor einem Pyrrhussieg ein; denn kein Arbeitgeber lässt sich gern nachsagen, dass Teile der Belegschaft diskriminiert werden. Insbesondere verliert er in solchen Fällen am Bewerbermarkt an Reputation. Die Fluktuation der Mitarbeiter steigt. Die Neueinstellungen sinken erheblich.
Trotzdem bleibt auch bei der Benachteiligungsklage ein Restrisiko für den Bewerber auf einen Pyrrhussieg.
Zusammenfassung zur Bewerberklage
Mit der Bewerberklage ist die Klage eines Bewerbers gegen den Arbeitgeber auf Ablehnung seiner Bewerbung gemeint. Sie führt im Erfolgsfall zwar nicht zur Einstellung des Bewerbers; aber sie gewährt ihm Schutzrechte. Doch da das Arbeitsverhältnis ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis ist, ist es nicht durchgehend justiziabel. Deshalb ist das Risiko eines Pyrrhussieges für den Bewerber nach gewonnener Bewerberklage nicht aufgehoben. Bei der Benachteiligungsklage ist die Gefahr eines Pyrrhussieges für den Bewerber deutlich eingeschränkter, aber nicht völlig ausgeschlossen.
Bewerbungsfolgeklage
Die Bewerbungsfolgeklage hat zwar eine Bewerbung zur Voraussetzung, zielt aber nicht auf die zugrundeliegende Bewerbung ab. Deshalb muss sie sich nicht notgedrungen gegen den Arbeitgeber richten.
Fallbeispiel Personalberater
Das Fallbeispiel Personalberater befasst sich mit den ungefragt zugesandten Bewerbungsunterlagen. Üblich ist, dass der Personalberater Bewerbungsunterlagen auftragsgemäß versendet. Die ungefragte Zusendung von Bewerbungsunterlagen geschieht nur dann, wenn der Personalberater keinen Auftrag zum Recruiting hat. Sie kommt deshalb nur bei unseriösen Personalberatern vor. Bei diesem Fallbeispiel war der Versand ungefragter Bewerbungsunterlagen an potenzielle Auftraggeber sogar zum Geschäftsmodell des Personalberaters geworden. Er sollte seine Kompetenz unterstreichen, unkonventionell bei der Besetzung vakanter oder latenter Positionen helfen zu können.
Unbefugter Versand der Bewerbungsunterlagen
Einen unbefugten Versand der Bewerbungsunterlagen für eine Vertriebsleitung hatte ein Personalberater dadurch begangen, dass er sie einem Unternehmer ohne Erlaubnis der Kandidaten geschickt hatte. Bei Durchsicht der eingegangenen Mappen fand der Firmeninhaber auch die Unterlagen eines Bewerbers, dem er weitere Bewerbungen bei seinem Unternehmen untersagt hatte.
Der Unternehmer stellte den Kandidaten telefonisch zur Rede. Der Angerufene war überrascht; er wies darauf hin, dass er dem Personalberater keine Erlaubnis zum Versand der Unterlagen erteilt habe. Außerdem enthalte seine Bewerbung einen entsprechenden Sperrvermerk. Nach genauem Hinsehen fand der Unternehmer den genannten Sperrvermerk und stellte sofort den Personalberater zur Rede.
Klarstellung vom Personalberater
Der Bewerber forderte vom Personalberater eine Klarstellung gegenüber dem Unternehmer und eine Entschädigung. Der Personalberater behauptete, das Einholen einer Erlaubnis zum Versand der Unterlagen sei unüblich. Er habe den Sperrvermerk übergangen, weil er dem Bewerber habe einen Gefallen tun wollen. Damit sei für ihn die Angelegenheit erledigt.
Gerichtsprozess
Zum Gerichtsprozess kam es, weil mit dem Personalberater eine Streitvermeidung unmöglich war. Der Personalberater unterlag im Prozess. Anschließend streute er in der Branche die Version, er habe dem Bewerber nur helfen wollen. Doch der Bewerber habe ihn aus Undankbarkeit vor Gericht gezogen. So eine Person könne er nicht zur Einstellung empfehlen.
Pyrrhussieg des Bewerbers
Zum Pyrrhussieg des Bewerbers kam es nach dem gewonnenen Gerichtsprozess; denn er hatte Schwierigkeiten, die im öffentlichen Urteil benannten Fehler des Personalberaters der Branche zu vermitteln. Schließlich hatte der Personalberater keine Erlaubnis zum Versand der Bewerbungsunterlagen gehabt. Zudem hatte er den Sperrvermerk ignoriert und dadurch den Bewerber beim Unternehmer als hinterhältig diffamiert. Von einem Gefallen konnte keine Rede sein. Die Branche glaubte dem hinterhältigen Personalberater mehr als dem rechtschaffenen Bewerber.
Der Ruf der Undankbarkeit hing dem Bewerber trotz allem noch jahrelang an. Wenn dem Kandidaten die Folgen bekannt gewesen wären, hätte er nicht gegen den Personalberater prozessiert. Der Pyrrhussieg des Bewerbers wäre vermieden worden.
Bewertung zum Fallbeispiel Personalberater
Die Zusendung von Bewerbungsunterlagen ohne Wissen der Kandidaten und mit Umgehung des Sperrvermerks ist rechtswidrig. Dass sie sogar zum Geschäftsmodell werden kann, beweist nicht nur die Unseriosität mancher Personalberater. Sie vermittelt auch die unglaubliche Naivität der Branche, die an negativen Narrativen interessiert ist. Sonst wäre der Personalberater mit seiner Story von der zurückgewiesenen Hilfeleistung auf taube Ohren gestoßen. So aber konnte er das prozessuale Obsiegen des Bewerbers in einen nachhaltigen Pyrrhussieg verwandeln.
Der Fall der rechtswidrig und schuldhaft versandeten Bewerbungsunterlagen lehrt, wie schnell sich ein prozessuales Obsiegen vor Gericht in einen Pyrrhussieg des Bewerbers ummünzen lässt. Der Fall stellt hohe Anforderungen an die Fantasie des Bewerbers, wie er nach misslungener Streitvermeidung trotzdem zu seinem Recht kommt. Ein gewonnener Gerichtsprozess beendet den Fall noch nicht. Der Bewerber muss weiter wachsam sein, damit ihm ein Pyrrhussieg erspart bleibt.
Fallbeispiel Plagiator
Das Fallbeispiel Plagiator passt auf alle Fälle, in denen ein Bewerber im Vorstellungsgespräch zur Verbesserung der angebotenen Stelle ausgefragt wird. Während eines Vorstellungsgesprächs wurde ein Bewerber gebeten, seine Vorstellungen zur Verbesserung des Internetauftritts darzulegen. Anschließend schickte er nach Aufforderung dem Unternehmen eine Ausarbeitung seiner Gedanken. Es folgte die Absage seiner Bewerbung.
Aufdeckung des Plagiats
Inzwischen war der Bewerber bei einem anderen Unternehmen untergekommen, das zu dem potenziellen Arbeitgeber im Wettbewerb stand. Einem Mitarbeiter des neuen Arbeitgebers war bei einer Wettbewerbsanalyse aufgefallen, dass die Internetseite verändert war. Er informierte den Bewerber, da er von dessen früherer Bewerbung bei dem Unternehmen wusste. Der Bewerber erkannte in der Veränderung des Internetauftritts Plagiate aus seiner Ausarbeitung zum Vorstellungsgespräch. Also forderte der Bewerber von dem Unternehmen eine angemessene Vergütung als Urheber gem. § 32 UrhG nach dem Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrecht.
Ablehnung einer angemessenen Vergütung
Die Ablehnung einer angemessenen Vergütung ließ nicht lange auf sich warten. Der Bewerber blieb hartnäckig. Schließlich nahm er sich einen Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, um seinen Standpunkt zu vertreten. Auf dessen Schriftsatz gab das Unternehmen den Fall an die Rechtsabteilung des Konzerns weiter, die bei der Ablehnung blieb. Sie berief sich darauf, der Bewerber habe im Vorstellungsverfahren alle Urheberrechte nicht nur an das einstellende Unternehmen, sondern sogar an den Konzern abgetreten. Trotz mehrfacher Versuche des Fachanwalts, lehnte die Rechtabteilung einen Vergleich ab.
Gerichtsprozess
Den Gerichtsprozess leitete der Bewerber ein, nachdem eine Streitvermeidung gescheitert war. Das Gericht war der Auffassung, dass es lediglich um die Höhe der Vergütung gehe. Nachdem die Rechtsabteilung einen Gerichtstermin versäumt hatte, drohte das Gericht mit einem Versäumnisurteil und vertagte ohne Zeitangabe; denn die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Rechtsfälle erhielten Vorrang.
Währenddessen setzte der Fachanwalt des Bewerbers seine Versuche fort, zu einem außergerichtlichen Vergleich zu gelangen. Sie blieben ohne Erfolg. Doch die Tochtergesellschaft nahm alle urheberrechtlich beanstandeten Änderungen des Internetauftritts vom Netz.
Gerichtsvergleich
Schließlich stellte das Gericht die Parteien mit Nachdruck vor die Wahl, seinen Vergleichsvorschlag anzunehmen. Die Parteien stimmten der vorgeschlagenen Vergütung zu. Die Gerichtskosten wurden geteilt. Jede Partei trug ihre eigenen Kosten selbst. Über den Inhalt des Vergleichs wurde Stillschweigen vereinbart.
Pyrrhussieg des Bewerbers
Der Pyrrhussieg des Bewerbers beruht darauf, dass ein Gerichtsvergleich kein Sieg, sondern ein Kompromiss der Parteien ist. Er ist ein Mittel der Streitvermeidung. Ein prozessualer Sieg liegt also nicht vor. Der Gerichtsvergleich wurde in diesem Fall vom Gericht durchgesetzt. Er ist ein Sieg des Bewerbers um den Preis eines Kompromisses, damit das Verfahren beendet werden konnte. Ein Pyrrhussieg ist er, weil eine Vertagung bis zum Sankt-Nimmerleinstag das Urheberrecht des Bewerbers praktisch außer Kraft gesetzt hätte.
Bewertung zum Fallbeispiel Plagiator
In einer abschließenden Bewertung ist der Vergleich als Sieg anzusehen; denn der Bewerber hat materiell rechtlich sein Urheberrecht gegen seinen Plagiator, den potenziellen Arbeitgeber, durchgesetzt. Er hat erreicht, dass sein Urheberrecht auch im Bewerbungsverfahren gültig ist. Im Ergebnis ist dieser Sieg aber ein Pyrrhussieg, der durch einen wirtschaftlichen Kompromiss erkauft worden ist. Von der erstrittenen Vergütung blieb nach Abzug der halben Gerichtskosten und der Anwaltskosten nicht viel Geld für den Bewerber übrig. Außerdem verhinderte das vereinbarte Stillschweigen, das Prozessergebnis anderen urheberrechtsgeschädigten Bewerbern bekannt zu machen.
Der Plagiator ist ein Risiko für den Bewerber. Er versucht im Bewerbungsverfahren, urheberrechtlich geschützte Gedanken des Bewerbers an sich zu bringen. So kann er sie wirtschaftlich nutzen, ohne sie angemessen zu vergüten. Dazu instrumentalisiert er als potenzieller Arbeitgeber den vermeintlichen Schutz des Arbeitsrechts. Dringt er mit seinem rechtswidrigen Vorgehen nicht durch, erwirkt er in einem Gerichtsvergleich eine Geheimhaltungsvereinbarung. So verhindert er, dass seine Niederlage öffentlich wird. Den Sieg lässt er zum Pyrrhussieg des Bewerbers schrumpfen.
Zusammenfassung zur Bewerbungsfolgeklage
Eine Bewerbungsfolgeklage ist ein Risiko für den Bewerber. Sie richtet sich nicht gegen das Bewerbungsverfahren, sondern folgt aus ihm. Gerade seine Folgewirkung macht sie zum Risiko. Einem Obsiegen im Gerichtsprozess steht nichts im Wege; aber ein Unverständnis des Gerichts für das Leid des Unterlegenen macht die Bewerbungsfolgeklage so gefährlich.
Der Personalberater im geschilderten Fall wollte doch nur „helfen“; diese edle Geste hat das Gericht verkannt. Die Branche dagegen hat sie sofort verstanden und den Bewerber als hartherzig gebrandmarkt. Sein Obsiegen vor Gericht wurde nachträglich zum Pyrrhussieg des Bewerbers.
Sobald gute Gedanken im Bewerbungsverfahren vom Bewerber geäußert werden, scheinen sie dem potenziellen Arbeitgeber zu gehören. Ein Plagiat ist für den Arbeitgeber undenkbar. Beurteilt ein Gericht den Fall anders, wird ein Gerichtsvergleich zur Streitvermeidung angestrebt. Ihm wird eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschoben, damit der Bewerber nicht über die Urheberrechtsverletzung berichten kann. Fertig ist der Pyrrhussieg des Bewerbers.
Resümee zu „Bewerberklage und Bewerbungsfolgeklage ./. Pyrrhussieg“
Ein Pyrrhussieg statt Streitvermeidung ist für den Bewerber nicht ausgeschlossen; denn das Risiko eines Pyrrhussieges lebt wieder auf, sobald die Streitvermeidung gescheitert ist.
Das erste Risiko geht von der Ablehnungsklage aus. Ein Sieg des Bewerbers ist nicht Bedingung. Allein die Klage birgt ein Risiko, wenn der Bewerber sich auf eine andere Position bei demselben Arbeitgeber bewirbt. Bei einer Benachteiligungsklage ist sein Risiko bedeutend geringer, aber nicht ausgeschlossen. Ein Pyrrhussieg des Bewerbers ist immer möglich.
Die Bewerbungsfolgeklage birgt oft unvorhersehbare Risiken für den Bewerber. Ein hinterhältiger Personalberater verliert den Gerichtsprozess, bringt aber die Branche gegen den Bewerber auf. Ein potenzieller Arbeitgeber scheitert vor Gericht mit dem Versuch, gute Ideen des Bewerbers aus dem Bewerbungsverfahren zu plagiieren. Er flüchtet sich in einen Vergleich mit Geheimhaltungsvereinbarung. Damit entlastet er das Gericht, ein Urteil zu sprechen. Der Bewerber kann nicht mehr obsiegen und auch nicht über den Prozess berichten. Der Vergleich ist zugleich Streitvermeidung als auch Pyrrhussieg des Bewerbers.
Call-to-Action
Zur ergänzenden Lektüre werden der Beitrag „Copyright an Bewerbungsunterlagen“ und die Beraterbriefe „Personalverrater“, Juni 2005 und „Das hinterhältige Geschäftsmodell“, August 2014, auf www.kettembeil.de empfohlen.
Fazit
Einen Pyrrhussieg gilt es generell zu vermeiden; denn er ist durch Verluste gekennzeichnet. Vor Gericht ist es nicht anders; aber auch ein gewonnener Gerichtsprozess schützt nicht vor einem Pyrrhussieg. Gefährdet sind vor allem Bewerber, die vor Gericht ihre Interessen durchsetzen wollen.
Deshalb ist Streitvermeidung angesagt. Doch sie ist nicht frei von Risiken. Sie liegen bei Gericht und bei Rechtsanwälten, auch wenn sie über einen Werkzeugkasten zur Streitvermeidung verfügen.
Ablehnungsklagen gegen Absagen von Bewerbungen sind risikoreich; denn man, also Bewerber und Arbeitgeber, begegnet sich mindestens zweimal im Leben. Dagegen sind Benachteiligungsklagen ein Kinderspiel. Diskriminierende Arbeitgeber laufen Gefahr, bald keine Arbeitgeber mehr zu sein. Trotzdem wird vor Pyrrhussiegen gewarnt.
Bewerbungsfolgeklagen bergen unvorhergesehene Risiken, wenn es den Unterlegenen durch Gerüchte gelingt, die Bewerber als charakterlos zu diskreditieren. Auch Gerichtsvergleiche, die das Gericht entlasten, können zu Belastungen für Bewerber werden. Sie nehmen den Bewerbern die Chance zum Obsiegen vor Gericht und täuschen Streitvermeidung vor. Zum Pyrrhussieg für die Bewerber werden sie dann, wenn sie Geheimhaltungsvereinbarungen enthalten. Damit verbieten sie den Bewerbern, wichtige Informationen aus dem Prozess zu veröffentlichen.
0 Comments