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Das Beherbergungsverbot ist eine Posse im Krisenmanagement, weil es die Unfähigkeit politischen Handels unter Corona-Bedingungen sichtbar macht. Die Verteilung der Zuständigkeiten im föderalen System führt zu einer Verzettelung der Kompetenzen. Durch Gewaltenteilung in den Bundesländern unterliegt das Beherbergungsverbot zusätzlich der juristischen Beurteilung der Landesgerichtsbarkeiten. Ein effizientes politisches Krisenmanagement ist praktisch unmöglich. Deshalb ist es zur Posse geworden.

Ablauf des Ereignisses

Die erste Sitzung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder der Bundesrepublik Anfang Oktober 2020 diente der Abstimmung über wichtige Fragen zur Gefahrenabwehr von Corona. Themen waren auch die durch den Herbst bedingten Anstiege der Infektionszahlen und die Auswirkungen der Herbst-Schulferien. Zwar wurden gemeinsame Beschlüsse gefasst, aber sie gingen der Kanzlerin nicht weit genug.

Zum Beherbergungsverbot konnte keine Einigung erzielt werden. Der Ministerpräsident von Thüringen wollte das Beherbergungsverbot nicht einführen, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern hatte es sogar mit einer Quarantäneregelung versehen. Die meisten Länder hatten es bereits eingeführt.

Varianten des Beherbergungsverbots

Nach der Sitzung bei der Kanzlerin gab es zwei Varianten zum Beherbergungsverbot in den Ländern.

Ohne Beherbergungsverbot

Am Folgetag bestätigte Thüringen sein „Nein“ zum Beherbergungsverbot. Die Länder Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schlossen sich dem Standpunkt an.

Keine Verlängerung des Beherbergungsverbotes

Nach der Signalwirkung aus Baden-Württemberg verkündeten die Freistaaten Bayern und Sachsen sowie das Saarland, ihre Beherbergungsverbote auslaufen zu lassen. Mit Verzögerung erklärte Hessen das Beherbergungsverbot für unzweckmäßig.

Kontrolle durch die Dritte Gewalt

Nach und nach übernahm in den Ländern die Dritte Gewalt von den Ministerpräsidenten die Kontrolle über die Beherbergungsverbote.

Gerichtliche Verbote

Der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg in Mannheim erklärte als erstes Gericht in einem Beschluss das Beherbergungsverbot für unverhältnismäßig.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg kippte das Verbot ebenfalls.

Das OVG Berlin-Brandenburg in Berlin verwarf das Beherbergungsverbot in Brandenburg und stellte damit die Einheitlichkeit des Rechts für seinen Gerichtsbezirk her.

Der Klage von zwei Gastronomen gegen das Beherbergungsverbot nebst Quarantäneregelung in Mecklenburg-Vorpommern gab das OVG in Greifswald am Dienstag, 20.10.20, statt.

Erst Freitag, 23.10.20, hob das OVG in Schleswig das Beherbergungsverbot für Schleswig-Holstein unter Verweis auf die ablehnende Haltung des Robert-Koch-Instituts (RKI) auf. Noch am Vortag war ein Eilantrag zweier Touristen als „zu dünn“ gescheitert. Zuvor hatte der Ministerpräsident abgelehnt, aus der Entscheidung des OVG in Greifswald rechtliche Schlüsse zu ziehen.

Gerichtliche Bestätigungen

Das OVG Hamburg bestätigte am Dienstag, 20.10.20, das vorinstanzliche Urteil, das einem Kölner Ehepaar die Beherbergung ohne Corona-Test versagt hatte. Es begründete seine Entscheidung damit, dass es mangels einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer eigenen Abwägung der grundrechtlichen Interessen berechtigt sei. Anders als in den Flächenländern sei im Stadtstaat Hamburg das Beherbergungsverbot zum Schutz der Bevölkerung auf engerem Raum geboten.

Schwebende Gerichtsverfahren

In Sachsen-Anhalt stellte ein Vermieter von Ferienwohnungen erst am Dienstag, 20.10.20, einen Eilantrag auf Aufhebung des Beherbergungsverbotes beim OVG in Magdeburg. Deshalb war dort ein schwebendes Verfahren.

Das VG in Hamburg lehnte Freitag, 23.10.20, den Antrag einer Hotelkette auf Aufhebung ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Beherbergungsverbot nur noch schwebend wirksam.

Begebenheit während des Beherbergungsverbots

In Schleswig-Holstein infizierte am Dienstag, 20.10.20, ein Angestellter eines 5-Sterne-Hotels am Timmendorfer Strand nach vorläufigem Testergebnis 37 von rund 100 Mitarbeiter mit dem Coronavirus.

Etwa 200 Gäste mussten das Hotel verlassen. Sie brauchten aber nicht in Quarantäne, weil sie der Kontakt-Kategorie 2 angehörten Sie hatten weniger als 15 Minuten Face-to-Face-Kontakt zu den Mitarbeitern gehabt. Das Hotel wurde sofort geschlossen. Die Infektionsketten konnten hinterher nicht mehr nachverfolgt werden.

Nur dem Zufall ist es zu verdanken, dass die Gäste in der Kontaktkategorie 2 verblieben waren. Das Beherbergungsverbot konnte nicht sicherstellen, dass die nachweislich ohne Corona-Virus angereisten Gäste bei ihrem Aufenthalt im Hotel vor Infektionen sicher waren.

Der Negativ-Test schützte nur die Einheimischen vor den Gästen, aber nicht die als negativ zertifizierten Urlauber vor den infizierten Schleswig-Holsteinern. Ein Beherbergungsverbot, das zertifizierte Gäste Infektionen aussetzt, ist eine zur Gefahrenabwehr einer Pandemie ungeeignete Verordnung.

Beurteilung des Ereignisses

Das Beherbergungsverbot bedarf einer eingehenden Beurteilung.

Zusammenfassung des Ereignisses

Mit dem Beherbergungsverbot im Gepäck erschien die Mehrheit der Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin. Nach einem erbitterten Streit wurde kein Ergebnis erzielt.

Anschließend erklärte eine Minderheit, das Beherbergungsverbot nicht einzuführen und eine weitere stoppte dessen Gültigkeit. In anderen Ländern kippte die Dritte Gewalt das Verbot. Übrig blieb Hamburg. Inzwischen ist dort und in Sachsen-Anhalt das Beherbergungsverbot wegen laufender Gerichtsverfahren nur noch schwebend wirksam.

Die ursprüngliche Mehrheit war zur Minderheit geworden.

Verfassungsrechtliche Beurteilung

Die verfassungsrechtliche Beurteilung befasst sich mit den Grundrechten, die von dem Beherbergungsverbot tangiert werden. Dazu gehört die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

Die Souveränität und die Solidarität der Länder sind nicht ausdiskutierte Themen des Grundgesetzes. Auch die effiziente Länder-Zahl muss durch eine Neugliederung des Bundesgebietes gem. Art 29 GG  bestimmt werden.

Grundrechte

Nach Art 93 GG ist das Bundesverfassungsgericht zu einer grundsätzlich geltenden Entscheidung über die Grundrechte befugt. Die Instanzgerichte dagegen treffen ihre Entscheidungen nur zu den vorgelegten Fällen.

Das Beherbergungsverbot, gestützt auf das Grundrecht auf Gesundheit gem. Art 2 Abs. 1 GG, greift erheblich in andere Grundrechte ein.

Von den Einschränkungen betroffen sind vor allem die allgemeinen Freiheitsrechte, das Recht auf Reisefreiheit gem. Art 11 Abs.1 GG  und die Gewerbefreiheit gem. Art 2 Abs.1 und Art 12 Abs. 1 GG.

Notwendigkeit der Einheitlichkeit der Rechtsprechung

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Beherbergungsverbot liegt nicht vor. Deshalb gibt es zu diesem Thema keine Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Sie ist aber dringend erforderlich, weil die OVG der Länder die Zulässigkeit des Beherbergungsverbots unterschiedlich beurteilt haben, wenn sich auch allmählich seine gerichtliche Aufhebung durchzusetzen scheint.

Souveränität der Länder

Einige Länder wie Schleswig-Holstein haben ihre Zuständigkeit für das Beherbergungsverbot mit der eigenen Souveränität begründet. Der Begriff „Souveränität“ kommt aber im GG nicht vor. Die Souveränität der Länder kann allenfalls indirekt aus den Bestimmungen zum Bund-Länder-Verhältnis und zur Gesetzgebung abgeleitet werden.

Auch hier ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich, damit die Souveränität der Länder grundsätzlich geklärt wird.

Mit der Souveränität der Länder werden auch Vorschriften zum Schutz der Einwohner wie das Beherbergungsverbot begründet. Deshalb ist die Vereinbarkeit der Souveränität mit der deutschen Staatsangehörigkeit gem. Art 116 GG zu klären; denn die damit begründeten Vorschriften schränken die Grundrechte der Deutschen außerhalb des Schutzgebietes ein.

Solidarität der Länder untereinander

Das grundgesetzliche Bund-Länder-Verhältnis muss auch die Pflicht der Länder zur Solidarität untereinander enthalten.

So sollte die Solidarität den Nehmer-Ländern aus dem Länder-Finanzausgleich verbieten, ein Beherbergungsverbot gegen die Einwohner aus den Geber-Ländern zu verhängen; denn sie erwirtschaften die Grundlage für den Länder-Finanz-Ausgleich.

Dasselbe gilt auch für wirtschaftliche Abhängigkeiten; so profitieren Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern von der Wirtschaftskraft Hamburgs.

Verringerung der Zahl der Länder

Eine Verringerung der Zahl der Länder würde das politische Krisenmanagement schlagkräftiger und gerechter machen; denn von den 16 Ländern haben acht (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und das Saarland) eine niedrigere Einwohnerzahl als der Stadtstaat Berlin und zwei (Sachsen und Rheinland-Pfalz) eine nur unwesentlich höhere.

Zusammen repräsentieren diese elf Länder weniger als die Hälfte der deutschen Bundesbürger. Das Beherbergungsverbot hätte ausgeglichener diskutiert werden können.

Posse im Krisenmanagement

Die Posse im Krisenmanagement begann mit dem Start des Beherbergungsverbots als von den meisten Ministerpräsidenten bevorzugte Regelung zur Gefahrenabwehr in der Corona-Krise.

Das Verbot landete gemäß der Gewaltenteilung in den Ländern vor den Gerichten. Nach und nach setzten die obersten Verwaltungsgerichte das Beherbergungsverbot in den Ländern, in denen es noch galt, außer Kraft.

So teilte das Beherbergungsverbot sein Schicksal mit der Grinse-Katze aus dem Wunderland: „…verschwand sie ganz langsam, wobei sie mit der Schwanzspitze anfing und mit dem Grinsen aufhörte, das noch einige Zeit sichtbar blieb, nachdem das Übrige verschwunden war.“ (Lewis Carroll, Alice im Wunderland, Sechstes Kapitel).

Quintessenz aus dem Ereignis

Als Quintessenz gibt das Beherbergungsverbot, das zur Posse im Krisenmanagement geworden ist, Lehren auf.

Lehre 1: Das Bundesverfassungsgericht ist zur Festlegung von Regeln gefordert, nach denen eine Rangordnung der Freiheitsrechte und deren Beschränkung in Krisen bestimmt werden können.

Lehre 2: Die Souveränität der Länder darf nicht zum Eigenbrötlerei verkommen, die den Erfolg des politischen Krisenmanagements behindert. Sie soll auch die Solidarität der Länder und die der deutschen Staatsangehörigen untereinander thematisieren.

Lehre 3: Die Zahl der Länder der Bundesrepublik ist zu verkleinern. Dadurch würden etwa gleich große Länder entstehen und das politische Krisenmanagement sachgerechter werden.   

Lehre 4: Statt unsinnige Eingriffe in die Grundrechte zur Gefahrenabwehr wie das Beherbergungsverbot zu erfinden, hat das politische Krisenmanagement beschlossene Maßnahmen wie die Einhaltung der Quarantäneregeln zu überwachen.

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