In einer nach oben geöffneten Hand steht eine menschliche Figur.

Die Fürsorgepflicht bei psychischen Störungen der Arbeitnehmer trifft ihren Arbeitgeber aufgrund verschiedener gesetzlicher Grundlagen. Sie ist den Arbeitgebern oft nicht bewusst, obwohl die psychischen Störungen der Arbeitnehmer in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent zugenommen und 2021 ihren vorläufigen Höchststand erreicht haben. Oft haben Arbeitgeber Schwierigkeiten, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern bei psychischen Störungen nachzukommen. Es gibt nämlich Arbeitnehmer, die Angebote aus Fürsorgepflicht ablehnen. Andere erteilen erst gar keine Auskünfte zu ihren psychischen Störungen. In solchen Fällen bleibt die Fürsorgepflicht für den Arbeitgeber allerdings trotzdem bestehen.

Sachstand zu den psychischen Störungen

Der Sachstand bei psychischen Störungen der Arbeitnehmer setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen.

Psychische Störungen in der Bevölkerung

Die psychischen Störungen in der Bevölkerung beziffert das Robert-Koch-Institut (RKI) mit 30 Prozent. Damit nennt das RKI einen Prozentsatz der Bevölkerung, dem im Laufe seines Lebens mindestens einmal eine psychische Störung widerfährt.

Aktueller Stand

Nach aktuellem Stand gibt es in der Bundesrepublik fünf Millionen behandlungsbedürftiger Personen. Die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung beträgt 20 Wochen. Daran ändert auch die seit April 2017 eingeführte Akutbehandlung nichts. Sie hilft nur, die Behandlung selbst zu beschleunigen. Vor allem leiden Kinder unter diesem Missstand. Zunehmend viele Kinder sind von psychischen Störungen als Folge von Schulschließungen während der Corona-Pandemie betroffen.

Grundlage für die Statistik zu den psychischen Störungen

Die Grundlage für die Statistik zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer bilden die Zahlen zu den psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung. Die Arbeitnehmer sind Teil der Bevölkerung und definieren sich nicht nur über ihr Arbeitsleben. So entstehen viele Krankheiten wie die Depression im privaten Bereich und nicht im beruflichen Umfeld. Sie wirken sich aber dennoch auf das Arbeitsleben aus.

Depression in der Bevölkerung

Die Depression in der Bevölkerung ist eine schwere psychische Störung, die über das Arbeitsleben hinausgeht. Sie vererbt sich oder wird in der Kindheit durch Traumata erworben. Ihr Auftreten ist mit Erschöpfung verbunden, die nicht nur bei der beruflichen Arbeit vorkommt. Auslöser können Stress, Verlusterlebnisse oder negative Lebensumstände sein.

Volkskrankheit Depression

Als Volkskrankheit ist die Depression inzwischen in der Öffentlichkeit angekommen. Künstler und Politiker sind gerade dabei, ihre psychischen Erkrankungen öffentlich zu machen.

Kurt Krömer, eine kabarettistische Kunstfigur von Alexander Bojcan, schildert die Depression ihres Erfinders in einem Sachbuch. Es trägt den Titel „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst – Meine Depression“. Das Buch führte wochenlang die SPIEGEL-Liste Bestseller Sachbuch an. Dadurch lenkte es das öffentliche Interesse auf das Problem der psychischen Störungen.

In einer Sendung im März 2020 „Chez Krömer“ diskutierte Krömer das Thema mit dem Komiker Torsten Sträter. Auch Sträter leidet an Depressionen und ist Schirmherr der Deutschen Depressionsliga.

Harald Schmidt ist Schirmherr der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Der SPD-Politiker Michael Roth war Staatsminister im Auswärtigen Amt der vorigen Bundesregierung. Aktuell ist er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss des deutschen Bundestages. Seit Juni 2022 ist er nach eigenen Angaben aufgrund einer bipolaren Depression krankgeschrieben. Es sei ein Kick, sein Mandat zu verteidigen. Danach trete eine Erschöpfung mit Versagensängsten und Panik ein. Parallel habe sich sein Smartphone zum Suchtmittel entwickelt. Auf ärztlichen Rat nimmt über die Sommerpause eine komplette Auszeit vom politischen Betrieb. Bei der Bundestagspräsidentin hat er sich bereits abgemeldet.

Kassenärztliche Statistik zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer

Eine kassenärztliche Statistik wird zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer von Krankenkassen geführt. Grundlage für die folgenden Ausführungen sind verschiedene DAK-Psychreporte bis zum März 2022 sowie einige BKK-Psychreporte.

Statistische Häufigkeit psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern

Die statistische Häufigkeit psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern hat 2021 zugenommen. Sie beträgt 19 Prozent und belegt den zweiten Platz aller Erkrankungen. Auf Platz 1 liegen die Erkrankungen von Skelett und Muskeln mit 23,2 Prozent und auf Platz 3 die Verletzungen mit 12,4 Prozent.

Die gesamte Platzverteilung:

  • Platz 1: Erkrankungen von Skelett und Muskeln 23,2 Prozent
  • Platz 2: Psychische Erkrankungen 19 Prozent
  • Platz 3: Verletzungen mit 12,4 Prozent
  • Platz 4: Erkrankungen der Atmung 10,1 Prozent
  • Platz 5: Erkrankungen der Verdauung 4,6 Prozent
  • Platz 6: Infektionen 3,5 Prozent
  • Sonstige 27,2 Prozent. Sie sind zwar die größte Gruppe, aber als Sammelsurium zu vernachlässigen.

Angststörungen stehen bei den psychischen Erkrankungen an erster Stelle. Dazu gehören Anpassungsstörungen, die mit dem Wechsel der Arbeitsbedingungen in Verbindung gebracht werden. Danach kommt die unipolare Depression. Beachtenswert ist auch ein Anstieg des Suchtverhaltens nach Alkohol, Betäubungsmitteln und Opiaten. Er ist dem Homeoffice zuzurechnen.

Fehltage der Arbeitnehmer bei psychischen Erkrankungen

Die Fehltage der Arbeitnehmer bei psychischen Erkrankungen bedürfen einer differenzierenden Betrachtung, damit der aktuelle Anstieg der psychischen Störungen deutlich wird.

Anzahl der Fehltage der Arbeitnehmer

Die Anzahl der Fehltage der Arbeitnehmer hat 2021, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie, einen vorläufigen Höchststand mit 276 je 100 Versicherten erreicht.

Übersicht der Fehltage:

  • 2021: 276
  • 2020: 265
  • 2019: 260,3 (letztes Jahr ohne Corona-Pandemie)
  • 2018: 236
  • 2017: 249,9
  • 2016: 246,2
  • 2015: 243,7
  • 2014: 237,3
  • 2010: 169

Aus der Zehn-Jahres-Differenz von 107 Fehltagen lässt sich die Steigerung der Fehltage der Arbeitnehmer bei psychischen Erkrankungen drastisch ablesen. Der Übergang von 2019 ohne Corona-Pandemie auf 2020 fällt mit einer Steigerung von 4,6 Fehltagen sehr klein aus.

Die Anzahl der Fehltage war in den Jahren 2014 – 2017 einer stabilen Steigerung von je drei tagen ausgesetzt. Das Jahr 2018 Ausreißer nach unten. Daraus lässt sich ablesen, dass die Steigerung Corona bedingt moderat ausgefallen ist. Allerding haben sich einzelne Corona-Maßnahmen wie die Lockdowns 2021 verheerend ausgewirkt.

Für das laufende Jahr 2022 ist eine weitere Zunahme zu befürchten. Die Corona-Pandemie ist noch in vollem Gange, ihre Eindämmung allerdings fortgeschritten. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) nur zögerlich bekämpfte immense Inflation und der Ukraine-Krieg seit 24. Februar 2022 werden zusätzliche psychische Schäden verursachen. Dadurch werden die Fehltage der Arbeitnehmer zusätzlich ansteigen. Soweit die Prognose für 2022 bei Erscheinen des Beitrags.

Fehltage je Krankheitsfall

Die Fehltage je Krankheitsfall ermöglichen Rückschlüsse auf die Intensität der Erkrankung. Je länger ein Krankheitsfall dauert, desto intensiver ist die Krankheit. Auch die Fehltage je Krankheitsfall bei den psychischen Erkrankungen haben zugenommen. Daraus folgt, dass die Störungen in den letzten Jahren intensiver geworden sind.

Übersicht der Fehltage je Krankheitsfall:

  • 2021: 39,2
  • 2020: 38,8 (erstes Coronajahr)
  • 2019: 35,4 (letztes Jahr ohne Corona-Pandemie)
  • 2018: 33,7
  • 2017: 35,7
  • 2010: 30,9

Daraus kann man erkennen, dass auch die Intensität der psychischen Störungen bei einem Ausreißer 2018 nach unten weiter steigt. Ihr vorläufiger Höchststand ist 2021 erreicht. Ein Ende der Zunahme der Intensität ist nicht in Sicht.

Branchenspezifische Fehltage

Branchenspezifische Fehltage bei psychischen Erkrankungen lassen den Schluss zu, dass Branchen mit hohen persönlichen Kontakten wie die Pflege besonders für psychische Störungen anfällig sind. Man kann von soziopsychischen Erkrankungen sprechen.

Der Branchendurchschnitt liegt bei 264,6. Die Fehltage der Gesundheitsbranche sind mit 397 Fehltagen deutlich darüber. Die Medien liegen mit 262,6 am Mittel. Die Druckindustrie ist mit 196,4 Fehltagen erheblich darunter. Das Schlusslicht bildet das Baugewerbe mit 150,5.

Bewertung des Sachstandes zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer

Die Bewertung des Sachstandes zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer ist ein Zwischenschritt, der für die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers von Bedeutung ist. Er verdeutlicht den Umfang, den psychische Störungen am Krankenstand der Arbeitnehmer bereits erreicht haben. Ein Ende ist noch nicht auszumachen.

Der erste Anhaltswert ist der Hinweis des RKI, dass 30 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens psychisch erkranken werden. Bei den Arbeitnehmern beginnt der Anstieg der psychischen Störungen mit dem zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Bis zu dessen Ende legt er um über 40 Prozent zu.

In den beiden Jahren der Corona-Pandemie steigen die Erkrankungen erst moderat, dann stärker. Dagegen nimmt die Intensität der Störungen erst deutlich zu und verliert aber auf hohem Niveau. Per Saldo werden im zweiten Jahr der Corona-Pandemie jeweils die höchsten Werte erreicht.

Dieses Ergebnis deutet daraufhin, dass die Corona-Pandemie auf die Verbreitung und die Intensität der psychischen Erkrankungen durchschlägt. Im zweiten Jahr wirkt sich das Homeoffice negativ aus. Ein Ende ist deshalb nicht abzusehen, weil die Zahl der Störungen seit zehn Jahren ständig im Anwachsen begriffen ist. Außerdem bleibt der Treiber Corona-Pandemie weiter tätig. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Inflation werden 2022 den Anstieg zusätzlich beflügeln.

Zusammenfassung zum Sachstand zu den psychischen Störungen der Arbeitnehmer

Der Sachstand bei psychischen Störungen der Arbeitnehmer leitet sich aus der Gesamtübersicht der psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung ab.

Danach kann ein Drittel an einer psychischen Störung im Laufe seines Lebens leiden. Konkretere Hinweise liefern die Statistiken der Krankenkassen über die Fehltage, die Länge der Erkrankungen und den Anteil der Branchen.

Im Ergebnis steigen seit zehn Jahren die psychischen Erkrankungen kontinuierlich an, ohne dass ein Ende ersichtlich ist. Teilweise hat die Steigerung 50 Prozent erreicht. Die Verschlimmerung der Erkrankungen hat ebenfalls ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Um welchen Anteil die Corona-Pandemie die Steigerung verstärkt, ist nicht konkret auszumachen. Der 2022 begonnene Ukrainekrieg und die immense, durch die EZB nur zögerlich bekämpfte Inflation werden den Anstieg psychischer Störungen bei den Arbeitnehmern zusätzlich verstärken. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags liegen zwar erste, aber noch keine endgültigen Erkenntnisse zur Entwicklung der psychischen Störungen bei den Arbeitnehmern vor.

In der Öffentlichkeit ist die Depression durch mediale Diskussionen angekommen.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer ist eine Nebenpflicht aus dem privatrechtlichen Arbeitsvertrag. Sie dient dem Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers. Sie umfasst Maßnahmen gegen physische und psychische Erkrankungen. Außerdem unterstützt sie den fairen Umgang der Belegschaft miteinander.

Aufgrund dieses breiten Spektrums ist die Fürsorgepflicht in verschiedenen Gesetzen zusätzlich geregelt oder präzisiert. Infolge der Beschränkung auf psychische Störungen werden aber nicht alle Normen vorgestellt. Die Vorschriften zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber Beamten bleiben ebenfalls außer Betracht.

Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis

Die Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis folgt verschiedenen Rechtsgrundlagen.

Rechtsgrundlage Treu und Glauben

Der Grundsatz „Treu und Glauben“ gem. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bildet die Grundlage für die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Er ordnet sie als vertragliche Nebenpflicht ein, die aus einer Reihe von Einzelpflichten zusammengesetzt ist. So wird sie zum Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers, die ebenfalls auf § 242 BGB beruht.

Verstöße führen zur schuldrechtlichen Verantwortung des Arbeitgebers gem. § 276 BGB. Die Verantwortlichkeit gegenüber Dritten ist in § 278 BGB geregelt.

Rechtsgrundlage Schutz von Leben und Gesundheit

Die Fürsorgepflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit für den „Dienstvertrag oder ähnliche Verträge“ (Titel 8 des BGB) ist in § 618 BGB festgelegt. Sie betrifft die Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften. Für Verstöße des Arbeitgebers gelten gem. § 618 Abs. 3 BGB  Vorschriften aus dem Recht der Unerlaubten Handlungen (§§ 842 – 846 BGB ).

Für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in § 62 des Handelsgesetzbuches (HGB)  normiert.

Fürsorgepflicht Arbeitsschutz

Eine weitere gesetzliche Grundlage für die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist das Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG). Dazu normiert es in § 4 ArbSchG allgemeine Grundsätze. So müssen sich die Schutzmaßnahmen auf „das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit“ (Ziff 1) beziehen. Sie haben den „Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen“ (Ziff. 3).

Die psychische Gesundheit der Beschäftigten wird ausdrücklich in die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers einbezogen. Deren Maßnahmen haben dem neusten Stand der Arbeitsmedizin zu entsprechen. Angesichts der dramatischen Zunahme psychischer Erkrankungen an Zahl und Intensität bei den Beschäftigten ist der Begriff „Arbeitsmedizin“ um Psychiatrie und Psychotherapie zu erweitern.

Fürsorgepflicht Diskriminierungsverbot

Die Fürsorgepflicht beinhaltet auch ein Diskriminierungsverbot Behinderter. Ihre Benachteiligung ist gem. § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt.

Menschen mit Behinderungen werden gesetzlich in § 3 Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundesbehindertengesetz – BGG) definiert; auch chronisch Kranke gelten als behindert.

  • Sie haben „langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen“.
  • „Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.“

Diese Formulierungen haben die Behindertengesetze der Länder und das Sozialgesetzbuch 9. Buch (SGB IX) sinngemäß oder gleichlautend übernommen (siehe auch § 2 Abs.1 SGB IX ).

Zusammenfassung zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses. Sie beruht auf dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben. Sie ist das Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers. Außer im BGB ist sie in weiteren Gesetzen normiert. Für die Fürsorgepflicht gegenüber Beschäftigten mit psychischen S

törungen sind besonders das AGG und das BBG zu nennen. Eine psychische Behinderung unterscheidet sich von einer sonstigen Störung durch ihre zeitliche Länge. Sie muss sechs Monate überschreiten.

Vorbeugende Maßnahmen aus der Fürsorgepflicht

Vorbeugende Maßnahmen aus der Fürsorgepflicht sind für den Arbeitgeber am Arbeitsplatz zu erfüllen. Vorbeugen ist besser als heilen, wie der Volksmund sagt.

Fragerecht des Arbeitgebers bei Erkrankungen

Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Erkrankungen des Arbeitnehmers muss an dieser Stelle erörtert werden. Es ist nämlich Bestandteil der Gespräche mit dem Arbeitgeber über vorbeugende Maßnahmen und arbeitsrechtlich unterschiedlich geregelt. Es gilt auch für psychische Störungen.

Kurzzeitige Erkrankungen

Kurzzeitige Erkrankungen, also solche unter sechs Monaten, können vom Arbeitgeber erfragt werden. Das gilt schon wegen der Entgeltfortzahlung. Der Arbeitnehmer hat also Auskünfte zu erteilen, wenn es um seinen Arbeitsplatz geht.

Behinderungen und chronische Erkrankungen

Behinderungen und chronische Erkrankungen sind vom Fragerecht des Arbeitgebers ausgenommen. Die Depression zählt zu den chronischen Erkrankungen.

Da der Arbeitgeber aber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber der gesamten Belegschaft hat, kann er trotzdem ein Fragerecht haben. Es gilt für spezielle Sonderfälle, in denen andere Sorgerechte dem Persönlichkeitsrecht des erkrankten Arbeitnehmers vorgehen. Die Fragen müssen zielbezogen auf das Arbeitsverhältnis sein.

Arbeitsrechtliche Lösung zum Fragerecht des Arbeitgebers bei Erkrankungen

Die arbeitsrechtliche Lösung zum Fragerechts des Arbeitgebers bei Erkrankungen ist unbefriedigend. Sie hilft nämlich nur begrenzt bei Antworten zu psychischen Störungen des Arbeitnehmers.

Für die den Mitarbeiter verpflichtenden Antworten gewährt sie nur einen Mindeststandard. Der Mindeststandard ist dadurch definiert, dass der Arbeitnehmer nur auf das Arbeitsverhältnis bezogene Fragen zu seiner psychischen Störung beantworten muss.

Sofern der Arbeitnehmer auf dem Mindeststandard besteht, verhindert die arbeitsrechtliche Lösung einvernehmliche Regelungen. Dabei wären gerade für einen psychisch gestörten Arbeitnehmer gemeinsame Vereinbarungen hilfreich. Sie könnten nämlich dessen Bedürfnisse am Arbeitsplatz gezielt berücksichtigen.

Bei einer Antwort nach dem rechtlichen Mindeststandard muss ein Arbeitgeber zwar seiner Fürsorgepflicht nachkommen; er könnte aber Nützlicheres für den Arbeitnehmer und die Belegschaft bewirken, wenn er eine förderliche Antwort erhielte. So verhindert der psychisch gestörte Arbeitnehmer durch Schweigen jedoch eine ihn begünstigende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers; denn auch für ihn gilt der Grundsatz: Nur dem Sprechenden kann geholfen werden.

Vorbeugende Maßnahmen gegen psychische Störungen

Vorbeugende Maßnahmen gegen psychische Störungen dienen der Beseitigung von Gefahren. Vorbeugen heißt allerdings nicht, dass die psychischen Störungen vollkommen vermieden werden können; sondern es gilt, sie vor allem so gering wie möglich zu halten.

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind deshalb einzudämmen. Hohe Beanspruchungen der Arbeitnehmer sind zeitlich zu begrenzen. Stress ist zügig entgegenzuwirken.

Dieses allgemeine Vorbeugen vor psychischen Störungen ist in der Praxis eine Mammutaufgabe des Arbeitgebers. Deshalb hat der Arbeitnehmer seinen Teil dazu beizutragen, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann.

Vorbeugende Maßnahmen gegen Depression

Vorbeugende Maßnahmen gegen Depression dienen der Schadensbegrenzung. Ihre Ursachen liegen in der Person des Depressiven oder in seinem sozialen Umfeld.

Die Depression kann aber auch am Arbeitsplatz ausbrechen. Um einen Ausbruch zu vermeiden, hat der Arbeitgeber für ein Fairplay der Belegschaft zu sorgen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche helfen, die Situation einzuschätzen, wenn sie das Wohlbefinden des Arbeitnehmers ansprechen. Unabhängig davon hat der Arbeitgeber rechtzeitig auf ein unübliches Verhalten eines Mitarbeiters zu reagieren.

Vorbeugende Maßnahmen gegen das Burnout-Syndrom

Vorbeugende Maßnahmen gegen das Burnout-Syndrom fallen deshalb in die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, weil es jeden Arbeitnehmer treffen kann. Es eine psychische Störung, die Unruhe und Ängste auslöst. Im Gegensatz zur Depression ist es keine Behandlungsdiagnose, sondern eine Zusatzdiagnose. Als Oberbegriff definiert das Burnout-Syndrom die Folgen von Stress und Überlastung am Arbeitsplatz.

Der Begriff „Burnout-Syndrom“

Der Begriff „Burnout-Syndrom“ stammt von dem klinischen Psychologen Herbert J. Freudenberger aus dem Jahre 1974. Er hatte den Begriff dem 1961 erschienen Roman „A burnt-out Case“ (Ein ausgebrannter Fall) von Graham Greene entlehnt.

Dem Burnout-Syndrom werden drei Grundsatzsymptome zugeordnet.

Erschöpfung: Die Erschöpfung ist eine Folge von Anspannungen und Stress, die eine Antriebsschwäche auslöst.

Gleichgültigkeit: Der Betroffene legt gegenüber seiner Tätigkeit eine Gleichgültigkeit an den Tag, die auch durch einen Zynismus begleitet werden kann.

Frustration: Eine Frustration tritt ein, weil der Betroffene trotz Steigerung der Arbeitsleistung nur Misserfolge und keine Erfolgserlebnisse verspürt.

Spezielle Maßnahmen zur Vorbeugung gegen das Burnout-Syndrom

Spezielle Maßnahmen zur Vorbeugung gegen das Burnout-Syndrom fallen in die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, weil es in vielen Varianten auftritt.

Analyse der Belastungen: Eine Analyse der Belastungen ist ständig erforderlich, weil das Burnout-Syndrom bei jedem Mitarbeiter auftreten kann. Eine besondere Risikogruppe bilden gegen alle Erwartungen die stark engagierten Arbeitnehmer. Sie sind in erhöhtem Maße Burnout gefährdet. Deshalb ist eine Analyse ständig nötig, die sich den Belastungen widmet. Außerdem bahnt sich das Burnout-Syndrom langsam und unauffällig an. Aus diesem Grund ist genau auf Verhaltensänderungen aller Mitarbeiter zu achten.

Angebote von Unterstützung: Angebote von Unterstützung sind wichtige Hilfen, die aus Mitarbeitergesprächen resultieren. Sie sind auch deswegen unerlässlich, weil ein Burnout-Syndrom kein Grund zur Kündigung ist.

Gestaltung des Arbeitsklimas: Die Gestaltung des Arbeitsklimas ist eine vorrangige Maßnahme der Fürsorgepflicht. Jeder Arbeitnehmer, der sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, ist motiviert und leistet mehr. Im Übrigen sorgt er für eine geringe Fluktuation der Mitarbeiter.

Psychotherapeutische Behandlung: Eine psychotherapeutische Behandlung für einen vom Burnout-Syndrom betroffenen Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber weder anordnen, noch kann er darauf bestehen, wenn sich der Arbeitnehmer gegen eine Behandlung sperrt. Sinnvoll ist dagegen, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter hilft, eine Psychotherapie zu finden. Manche Firmen verfügen bereits über geeignete Kontakte zu Psychotherapeuten. Einige Konzerne haben schon psychotherapeutische Abteilungen eingerichtet.

Zusammenfassung zu „Vorbeugende Maßnahmen aus der Fürsorgepflicht“

Die Vorbeugung gegen psychische Störungen des Arbeitnehmers ist eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Sie ist zunächst eine allgemeine Plicht, die jede psychische Störung am Arbeitsplatz zu vermeiden oder einzudämmen hilft. Im Arbeitsleben stellt sie wegen der Vielfalt der psychischen Störungen hohe Anforderungen an den Arbeitgeber.

Die Depression gehört zu den tiefgreifenden Störungen. Ihre Ursachen liegen nicht im Arbeitsverhältnis; doch können Belastungen am Arbeitsplatz zu deren Ausbruch führen oder ihren Verlauf verschlimmern. Fragen zur Depression muss ein Arbeitnehmer zwar nicht beantworten; denn das Fragerecht des Arbeitgebers ist bei Erkrankungen eingeschränkt. Doch sollte das Fragerecht gerade bei psychischen Störungen flexibel gehandhabt werden.

Das Burnout-Syndrom ist eine Ergänzungsstörung und deshalb auch kein Kündigungsgrund. Daraus folgt eine ganze Palette an Vorbeugungsmaßnamen, mit denen der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachzukommen hat.

Call-to-Action

Zur weiteren Lektüre wird die Trilogie „Lösungsfokussierte Kurztherapie für das Management“ empfohlen:

Vor 25 Jahren wurde dieses Thema schon einmal in dem ausführlichen Beraterbrief „Lebenshilfe für Manager“, April 1997 auf www.kettembeil.de behandelt.

Fazit

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei psychischen Störungen des Arbeitnehmers ist eine wichtige Aufgabe. Sie hat verschiedene Rechtsgrundlagen. Für diesen Beitrag wird ihre Darstellung auf das Arbeitsverhältnis, den Arbeitsschutz und das Diskriminierungsverbot beschränkt.

Die psychischen Störungen sind als Krankheiten nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch am Arbeitsplatz angekommen. Sie nehmen seit zehn Jahren überproportional zu. Die Corona-Pandemie sowie der Ukraine-Krieg und die Inflation mit ihren Folgen verstärken diesen Trend.

Da Vorbeugen besser als Heilen ist, muss sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auf die Bekämpfung psychischer Störungen konzentrieren. Neben allgemeiner Vorbeugung hat sich die Fürsorge der Depression zu widmen. Sie ist nicht nur eine schwere Erkrankung, sondern ist in der Öffentlichkeit bereits mit dem Etikett „Volkskrankheit“ belegt.

Das Burnout-Syndrom ist eine allgegenwärtige Ergänzungsstörung, die jeden Arbeitnehmer treffen kann. Da sich das Burnout-Syndrom schleichend entwickelt, bedarf es einer besonderen Beobachtung. Hinzukommt, dass es kein Kündigungsgrund ist.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gilt nicht nur dem psychisch gestörten Arbeitnehmer, sondern gegenüber der gesamten Belegschaft. Deshalb hat sie unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Zwar sind die Grenzen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und des Fürsorgeanspruchs des Arbeitnehmers bei psychischen Störungen rechtlich geklärt; doch im Arbeitsleben sind sie fließend. Deshalb sollten beide Seiten im Einzelfall bedenken, ob sie auf ihren Rechten bestehen wollen.

Categories: Arbeitsleben

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