Das Geschäftsgeheimnis Provision ist – sofern es ein Arbeitnehmer verrät – ein willkommener Grund zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, wenn es anders nicht zu lösen ist. Gespräche mit Dritten über Provisionen oder andere Entgelte werden gern als ein solcher Verrat ausgelegt. Doch die goldenen Zeiten sind für Arbeitgeber vorbei, seitdem das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vom 18.04.2019 in Kraft ist. In Umsetzung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments definiert es den Begriff „Geheimnis“ neu und setzt Rechtsprechung und liebgewonnene nationale Gesetze außer Kraft.
Die Definition
Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information, wie sie im GeschGehG geregelt ist.
Der gültige Gesetzestext vom 26.04.2019
„Im Sinne dieses Gesetzes ist
1.
Geschäftsgeheimnis
eine Information
a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht;
Der veraltete Gesetzestext
Veraltet sind die Begriffsbestimmungen nach den §§ 17 bis 19 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), weil sie außer Kraft gesetzt sind. Entfallen ist damit die Unterscheidung von Geschäftsgeheimnissen und Betriebsgeheimnissen, die sich entweder auf den kaufmännischen Geschäftsbetrieb oder auf technisches Wissen oder Verfahren sowie den Betriebsablauf beziehen.
Die überholte Rechtsprechung
Überholt ist damit auch die Definition des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2006: „Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.“ Sie ist nach neuem Recht unvollständig.
Die Neuerung
Die Neuerung ist die Einfügung des Tatbestandsmerkmals zum Geschäftsgeheimnis, das es „Gegenstand … (von) angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ ( §1 Ziff.1a GeschGehG) ist. Damit ist es den Unternehmern verwehrt, jeden Aspekt des Geschäftsbetriebes – also auch das Geschäftsgeheimnis Provision – zu einem Geschäftsgeheimnis zu erklären. Geheimhaltungsvereinbarungen reichen als angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nicht mehr aus; one-size-fits-all-Lösungen sind unwirksam. Die umständliche AGB-Kontrolle (gem. §§ 305 ff, 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) von Verschwiegenheitsklauseln in Anstellungsverträgen ist nur noch in Ausnahmefällen ergänzend erforderlich.
Die Provision
Die Provision als Entgeltsbestandteil zum Geschäftsgeheimnis zu erklären, ist für Arbeitgeber oft ein probates Mittel zur fristlosen Kündigung; denn eine fristlose Kündigung ist nur selten durchsetzbar. Oft wird sie gerichtlich zur ordentlichen Kündigung, manchmal sogar bis zur Abmahnung abgestuft. Die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses führt dagegen fast automatisch zur fristlosen Kündigung. Die Verknüpfung eines Geschäftsgeheimnisses mit der Provision eines Arbeitnehmers zum Geschäftsgeheimnis Provision schildert der folgende Fall:
Der Fall
Einen Change-Management-Berater hatte ein Beratungsunternehmen zu einer mehrwöchigen Ist-Aufnahme bei einem auswärtigen Kunden entsandt. Die Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin des Kunden gestaltete sich als schwierig, weil sie es an der erforderlichen Unterstützung fehlen ließ. Wichtige Informationen über die Organisationsstruktur stellte sie zögerlich zur Verfügung. Auch über die Arbeitsabläufe gab sie nur widerwillig Auskunft. Zum Streit kam es fast täglich, weil sie unbefugt die Arbeitszeit des Beraters bestimmen wollte.
Die Falle
Mit der Behauptung, die Stundensätze seines Arbeitgebers seien übertrieben hoch, provozierte die Mitarbeiterin den Berater während einer Mittagspause. Sie fügte hinzu, im Übrigen verdienten Berater im Allgemeinen und er im Besonderen ohnehin zu viel. Der Berater nahm seinen Arbeitgeber in Schutz, indem er diese Aggression zurückwies.
Da die Mitarbeiterin nicht locker ließ. Der Berater kam ihr mit einer rudimentären Beschreibung des Provisionsmodells entgegen, das in seinem Unternehmen die variable Vergütung der Berater im Außendienst regelt. Konkrete Zahlen nannte er nicht. Er betonte aber stattdessen, dass sein Einkommen nichts mit den vereinbarten Stundensätzen zu tun habe. Im Grunde sei es nicht Sache der Mitarbeiterin, sondern ihres Arbeitgebers zu entscheiden, mit welchen Beratern und zu welchen Konditionen er Verträge mit Lieferanten abschließe.
Vor Gericht
Über dieses Gespräch informierte die Mitarbeiterin die Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens, das daraufhin den Berater ohne Angabe von Gründen fristlos entließ. Der Berater reichte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Im Sühnetermin trug die Beklagte mündlich vor, der Kläger habe Geheimnisverrat mit seiner Skizzierung des Provisionsmodells gegenüber der Mitarbeiterin des Kunden begangen. Der Berater widersprach mit dem Hinweis, sein Arbeitsvertrag enthalte keine wirksame Klausel zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen.
Das Ergebnis
Um einer Entscheidung aus dem Wege zu gehen, riet der Vorsitzende der Kammer beiden Parteien zur Einigung. Später protokollierte er einen Gerichtsvergleich, der das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes mit sofortiger Wirkung einvernehmlich auflöste.
Die Beurteilung
Folgende Aspekte sind bei der Beurteilung des Falles von Interesse.
Die Falle Geschäfsgeheimnis Provision
Ohne Bedeutung für den Rechtsfall sind die Motive, die die Mitarbeiterin des Kunden und die Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens verleitet haben, den Change-Management-Berater in die Falle zu locken. Sie dienten aber dazu, die Provision zum Geschäftsgeheimnis zu stilisieren.
Die Einlassungen
In ihren Einlassungen stritten die Parteien lediglich um die Gültigkeit der vertraglichen Verschwiegenheitsvereinbarung. Unterstellt wurde, dass eine Provision Gegenstand eines Geheimnisses sein kann. Ein Ergebnis wird nicht erzielt, weil das Gericht die Sühneverhandlung zum Gerichtsvergleich nutzen wollte.
Der Gerichtsvergleich
Der Gerichtsvergleich lässt keine endgültige Beurteilung zu, ob die Skizzierung einer Provision gegenüber der Mitarbeiterin des Kunden ein Geheimnisverrat ist. Er ist nämlich nur ein Kompromiss der Parteien zur Vermeidung einer streitigen Auseinandersetzung; er lässt Rechtsfrieden eintreten.
Der Arbeitgeber kann seine mit Geheimnisverrat begründete fristlose Kündigung nicht durchsetzen, wohl aber eine Vertragsauflösung erzielen. Allerdings muss er eine Abfindung bezahlen. Der Arbeitnehmer verliert seinen Arbeitsplatz, erhält aber einen finanziellen Ausgleich. Ein Geheimnisverrat taucht nicht mehr auf.
Die Gehaltsdaten
Da die Bestandteil des Gehaltes ist, kann sie Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses sein, sofern die Gehaltsdaten Geschäftsgeheimnisse sind. Diese Qualität hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung stets verneint. Eine Ausnahme besteht dann, sofern darüber auf Umsätze oder Gewinne geschlossen werden kann.
Die vom Change-Management-Berater gegenüber der Mitarbeiterin des Kunden ausdrücklich ohne Zahlen vorgetragene Schilderung des Provisionssystems lässt keine Schlüsse auf betriebsinterne Daten zu. Das Provisionssystem verfügt also nicht über die Qualität eines Geschäftsgeheimnisses.
Die Provision
Die Provision, von den Gehaltsdaten unabhängig betrachtet, wird auch nicht als Sonderfall zum Geschäftsgeheimnis. Sie ist einerseits Anreiz für den Provisionsnehmer und verursacht andererseits Kosten für den Provisionsgeber. Ihre Zahlung tritt erst bei Erfolg ein, löst erst dann Kosten und Gewinn beim Provisionsgeber aus. Allerdings ist dieser Gewinn vom Erfolg des Provisionsnehmers und nicht von der Provision abhängig. Die Provision ist somit kein Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses.
Die Gesetzeslage
Nach der gültigen Gesetzeslage liegt im vorliegenden Fall kein Geheimnisverrat vor, weil eine vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung allein keinen Geheimnisschutz gewährt. Gesetzlich vorgeschriebene angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen wurden von der Arbeitgeberseite nicht vorgetragen.
Die Lösung
Die Lösung des Beispielfalles schildert die neue Rechtslage seit dem 26.04.2019.
Geschäftsgeheimnis
Geschäftsgeheimnisse sind notwendig und schützenswert, weil sonst die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht. Allerdings müssen die Geschäftsgeheimnisse einem berechtigten Interesse unterliegen und vom Unternehmen angemessen geheim gehalten werden. Nicht jeder Aspekt kann deshalb vom Unternehmen zum Geschäftsgeheimnis erklärt werden.
Geschäftsgeheimnis Provision
Nach dieser neuen Gesetzeslage hat die Provision als Geschäftsgeheimnis ausgedient. Sie kann auch nicht aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers hergeleitet werden, weil die Provision selbst oder als Bestandteil des Einkommens kein Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses sein kann; es sie denn, sie lässt Rückschlüsse auf den Umsatz oder den Gewinn des Unternehmens zu.
Kündigung
Deshalb kann die Provision nicht länger als Geschäftsgeheimnis zum willkommenen Kündigungsgrund benutzt werden, der dem Arbeitgeber eine fristlose Kündigung eines unliebsamen Arbeitnehmers ermöglicht. Die Umgehung arbeitsrechtlicher Vorschriften hat ein Ende.
Einheitlichkeit
Diese neue Rechtslage ist in der EU einheitlich, weil sie auf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments beruht. So ist sichergestellt, dass Geschäftsgeheimnisse in diesem Raum denselben Kriterien unterliegen.
Call-to-Action
Die Lektüre des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen GeschGehG wird empfohlen.
Fazit
Das Geschäftsgeheimnis Provision ist oft ein willkommener Kündigungsgrund für Arbeitgeber. Bevorzugt werden Gespräche mit Kollegen oder anderen Dritten über das eigene Einkommen oder Provisionen. Dabei ist richterrechtlich längst festgestellt, dass den Arbeitnehmern Gehaltsgespräche mit Dritten zur Überprüfung der Gleichbehandlung erlaubt sind
Der Geheimnisverrat lässt eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers zu, eine gern gewählte Ausnahme im Arbeitsrecht. Der Arbeitgeber muss nicht das ordentliche Kündigungsverfahren einhalten, dem Abmahnungen des Arbeitnehmers zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses vorgeschaltet sind. Er kann einen unliebsamen Arbeitnehmer sofort loswerden, der vielleicht arbeitsrechtlich gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen gekündigt werden darf.
Früher war eine fristlose Kündigung wegen Geheimnisverrats kein Selbstgänger, weil die arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsvereinbarungen oft unwirksam waren. Aber auch solche Klippen konnten umschifft werden. Im Zweifel reichte eine solche Kündigung aus, um eine Trennung vor Gericht vorzubereiten.
Das neue GeschGehG macht mit diesen „Spielchen“ Schluss, wie die Analyse des Falles zeigt. Von Ausnahmen abgesehen, die Rückschlüsse auf geheime Unternehmensdaten zulassen, hat das Geschäftsgeheimnis Provision ausgedient.
0 Comments