Der Hype im Management ist auf die Psychologisierung des Arbeitsverhaltens und des gesellschaftlichen Lebens zurückzuführen. Ursachen sind in beiden Fällen das Well Being der Positiven Psychologie und die Psychologie zwischenmenschlichen Verhaltens. Ihren Ausdruck finden sie im Burnout-Syndrom und der MeToo-Bewegung. Doch der Hype im Management signalisiert auch einen Bedarf an der Compassionate Leadership; denn eine Führung nur nach den Regeln der Compliance verrechtlicht das Betriebsklima zu sehr. Erst die Leadership mit Herz und Verstand sorgt für das erforderliche Well Being. Der Hype im Management ist noch nicht zu Ende.

Hype im Management

Der Hype im Management erfährt in diesem Beitrag eine Beschränkung auf das Führungsverhalten im Unternehmen. Speziell geht es um einen Hype in der Personalführung, also der Leadership.

Übersetzung von Hype

Die Übersetzung von Hype folgt zunächst dem englischen Original und lautet Rummel, Wirbel. Allerdings wird sie im Deutschen unter Beibehaltung der Aussprache zu einer Steigerung in Riesenrummel oder übertriebenes Getue.

Präzisierung zum Hype im Management

Die Präzisierung zum Hype im Management wird anhand der Management-by-Konzepte der 1980er Jahre deutlich:

  • Management-by-Objectives bezeichnet Führung nach Zielen.
  • Management-by-Delegation ist Führung durch Abgabe von Verantwortung.
  • Management-by-Walking (Wandering) Around meint den persönlichen Kontakt des Managements zur Belegschaft.
  • Management-by-Robinson für „Warten, bis Freitag kommt“ ist eine  Verballhornung.

Viele Firmen, die den Management Moden zu folgen pflegten, setzten diese Konzepte um.

Dagegen konnte der Computer-Pionier Heinz Nixdorf (1925 – 1986) mit diesen Konzepten nicht viel anfangen. Er beschied: „So was kommt mir nicht ins Haus.“

Gründe für den Hype im Management

Die Gründe für den Hype im Management ergeben sich aus den psychischen Entwicklungen des Arbeitsverhaltens und des gesellschaftlichen Lebens. So haben die psychischen Erkrankungen in den vergangenen zehn Jahren erheblich zugenommen. Die Krankschreibungen sind von 2011 auf 2021 um mehr als 18 Prozent und die Tage der Arbeitsunfähigkeit um 53 Prozent gestiegen.

In Kritik zur Anzahl der Krankschreibungen stellt der Psychotherapeut Burkhard Voß fest:  „Die Zahl schwerer psychischer Erkrankungen wie Manien und Schizophrenien ist nahezu unverändert.“ (Burkhard Voß, „Lasst euch nicht krankreden!“, Playboy, März 2023, S.108)

Grund 1 – Burnout-Syndrom

Das Burnout-Syndrom ist ein Zustand körperlicher, geistiger oder emotionaler Erschöpfung, aber keine psychische Erkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation hat das Burnout-Syndrom der Kategorie Z zugeordnet. Es ist eine Ergänzungsstörung, die allein keine arbeitsrechtlichen Folgen auslöst, aber den Arbeitgeber zur Fürsorge ermahnt.

Doch das Burnout-Syndrom steht nicht außerhalb der Kritik: „Die meisten Leute sind nicht ausgebrannt, sondern brennen gar nicht.“ (Catharina Bruns, „Es ist nicht die Arbeit, die uns fertigmacht“, Welt online, 13.03.2023, Gastbeitrag Wirtschaft) So konstatiert auch Burkhard Voß „gegen den Mainstream von Empathie und Psychoboom“…, dass manche Behörde oder Abteilung in Deutschland mehr einer Selbsthilfegruppe als einem Arbeitsplatz gleicht.“ („Deutschland in der Psychofalle“, „Schlecht gelaunt war gestern – Psychisch krank ist heute“, S. 24)

Natürlich gesteht Lütz ein, dass Arbeit krank machen kann. („Neu Irre“, S. 43). In diesem Fall heißt der Rat: „Geh zum Arzt.“ (Voß, ebda.) Dennoch sieht Lütz „dieses Wort (Burnout) zum reinen Marketingbegriff verkommen, der wirklich kranke depressive Patienten umfasst, aber ebenso nicht krankheitswertige Befindlichkeitsstörungen, die zu einem ganz normalen Leben dazugehören.“ (Lütz, ebda.)

Aller Kritik zum Trotz weisen die Statistiken für das Burnout-Syndrom im Jahr 2021 um 19fach höhere Krankschreibungen als im Jahr 2004 aus. Das Burnout-Syndrom hat sich damit zum nachhaltigen psychologischen Faktor im Arbeitsleben entwickelt. Es ist für den Hype im Management zur Compassionate Leadership nicht nur ursächlich ist. Es fordert ihn am Arbeitsplatz geradezu heraus, damit die berechtigte Kritik am Burnout bei der Personalführung berücksichtigt werden kann.

Das Burnout-Syndrom ist eine Ursache für den Hype im Management zugunsten der Compassionate Leadership. Der Mitarbeiter bedarf der Führung durch das Management, wenn ihn ein Burnout am Arbeitsplatz befällt. Die Empathie der Compassionate Leadership hilft bei der Einordnung des Burnouts. Die Leadership begleitet den Mitarbeiter mitfühlend bei der Heilung vom eingeordneten Burnout-Syndrom. 

Grund 2 – MeToo

MeToo ist eine Bewegung, die sich inzwischen weltweit etabliert hat. In Deutschland angekommen, hat sie bereits gesellschaftliche Anerkennung erreicht. Deshalb kann sie durchaus ihren Anteil am Hype im Management haben.

Entwicklung von MeToo

MeToo, englisch für „Ich Auch“, datiert aus dem Jahre 2006. Die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Tarana Burke hatte afroamerikanische Frauen, die sexuellen Missbrauch erlebt hatten, zum Zusammenhalt aufgerufen. Im Jahre 2017 griff die US-amerikanische Schauspielerin Alyssa Milano den Begriff MeToo in ihrem Hashtag #MeToo auf. Er diente ihr als Schlagwort, betroffenen Frauen das Ausmaß sexueller Belästigung in Anlehnung an den Weinstein-Skandal zu erläutern.

Aktuelle Lage von MeToo

Die aktuelle Lage von MeToo stellt sich an den Themen der Presseberichterstattung Anfang Juni 2023 in Deutschland dar:

  1. Julian-Reichelt-Skandal beim Axel Springer Verlag durch die politischen Medien
  2. Vorwurf sexueller Übergriffe von Frontmann Till Lindemann der Band Ramstein, beginnend mit „K.-o-Tropfen, Sex und die „Row Zero““, Welt am Sonntag, 04.06.2023
  3. Häusliche Gewalt gegen Frauen, „Tatort zuhause“, Focus, 03.06.2023

In allen drei Themen ist das Ausnutzen des Machtgefälles bei menschlichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern maßgeblich.

Die Affäre Reichelt ist für den Hype im Management von Bedeutung, da sie in der Arbeitswelt angesiedelt ist. Das Machtgefälle ist durch das betriebliche Vorgesetztenverhältnis geregelt. Corporate Compliance-Vorschriften sollen in Unternehmen sicherstellen, dass Machtmissbrauch durch das Machtgefälle von Vorgesetzten zu ihren Untergebenen unterbleibt.

Der Fall Ramstein betrifft kein Abhängigkeitsverhältnis, sondern die Beziehung der Stars zu ihren Fans. Fans sind aber nicht mit Groupies aus früheren Zeiten zu verwechseln, die sich noch um ihre Stars gekümmert haben. Die Fans entwickeln eine lose emotionale Bindung, die dennoch ein Machtgefälle zugunsten der Stars nach dem Muster von MeToo erlauben.

Die häusliche Gewalt ist ein gesellschaftliches Phänomen, das mit der MeToo-Bewegung oder dem Machtgefälle nicht ausreichend beschrieben ist.

Beispiel für den Hype im Management

Ein Beispiel für den Hype im Management ist die Affäre Reichelt, die sich im Axel Springer-Konzern ereignet hat. Sie passt deshalb, weil die Führung der Belegschaft eine Aufgabe des Managements ist.

Darstellung der Affäre Reichelt

Julian Reichelt wurde nach dem Abschied von Kai Diekmann zu dessen Nachfolger als Chefredakteur von „Bild“ befördert. In dieser Position wurde ihm sexueller Machtmissbrauch von Redakteurinnen vorgeworfen.

Der Springer-Konzern beauftragte die externe Rechtsanwaltskanzlei freshfields mit der Aufklärung der Vorwürfe. Freshfields konnte keinen Machtmissbrauch, wohl aber ein Fehlverhalten von Reichelt nachweisen, das jedoch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen erfordere.

Anlässlich des Weinstein-Skandals, der die MeToo-Bewegung ausgelöst hatte, überarbeitete der Springer-Konzern sein Compliance-Regelwerk. Die neue Fassung galt während der Affäre Reichelt noch nicht, weil die Arbeitnehmervertretung widersprochen hatte. Ihr waren die Verschärfungen zu weitreichend gewesen. So konnte Reichelt unbehelligt als Chefredakteur im Amt bleiben. Inzwischen gilt die verschärfte Corporate Compliance beim Axel-Springer-Konzern.

Berichterstattung durch die Presse zur Affäre Reichelt

Der Umgang mit der Affäre Reichelt wurde von der Berichterstattung durch die Presse begleitet. Der „Spiegel“ erhielt sogar den „Stern“-Preis (früher Henri-Nannen-Preis) für seine Darstellungen. „Focus“, und vor allem „Cicero“ (Mathias Brodkorb, „Der Feind meines Feindes“, Juni 2023) widersprachen manchen dieser Darstellungen. Trotz aller divergierender Unterschiede in der Betrachtungsweise ist die MeToo-Bewegung die Auslöserin der Affäre Reichelt.

Roman als Begleitbuch zur Affäre Reichelt

In Anlehnung an die Affäre Reichelt erschien von Benjamin von Stuckrad-Barre unter dem Titel „Noch wach?“ das ausdrücklich als Roman bezeichnete Begleitbuch. Das Thema MeToo wird an verschieden Stellen gewürdigt (u.a. S. 177 ff). Zuvor hatte Stuckrad-Barre sein bis dahin enges Verhältnis zu Mathias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden von Springer, auf Eis gelegt. Es hatte ihm einen lukrativen Autoren-Vertrag für Springer beschert.

Beurteilung zum Beispiel für den Hype im Management

Die Beurteilung zum Beispiel für den Hype im Management konzentriert sich in drei Stufen auf das Verhältnis von der Corporate Compliance zur Compassionate Leadership.

Stufe 1: Corporate Compliance-Verfahren

Das Corporate Compliance-Verfahren, das auch in der Affäre Reichelt angewandt wurde, bedarf unter dem Aspekt der Compassionate Leadership einer gesonderten Betrachtung. Während des Verfahrens war Reichelt vom Dienst als Chefredakteur von „Bild“ suspendiert. Nachdem es abgeschlossen war, kam er in die Redaktion von „Bild“ zurück; das Arbeitsverhältnis ging als Gemeinschaftsverhältnis der Redakteure zur Tagesordnung über.

In einem Compliance-Verfahren gelten die Beweislage und die Unschuldsvermutung. Ist die Beweislage unklar, gilt der Delinquent aufgrund der Unschuldsvermutung als entlastet. Andererseits fühlen sich Belastungszeugen unverstanden und sind mit dem Ergebnis unzufrieden. In Verfahren sexuellen Missbrauchs ist diese Lage für Belastungszeuginnen besonders heikel; vielleicht müssen sie sogar Rache fürchten.

Deshalb dürfen solche Situationen sich nicht selbst überlassen bleiben. Das Corporate Compliance-Verfahren hat einen sehr öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Charakter; er wird dem persönlichen Verhältnis der Mitarbeiter untereinander nicht gerecht. Die Personalführung des Managements ist gefordert; der Einsatz der Compassionate Leadership bietet sich an.

In Fällen wie der Affäre Reichelt ist Compassionate Leadership eine erfolgversprechende Führungsmethode. Leider fehlt es in diesem Fall an Informationen über deren Einsatz; denn als Fall der MeToo-Bewegung belegt er, dass der Hype im Management zum Einsatz der Compassionate Leadership noch längst nicht beendet ist.

Stufe 2: Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis

Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis hat der Arbeitsrechtler Carl Nipperdey (1895 – 1968) das Arbeitsverhältnis genannt. Seine rechtliche Betrachtung gilt also in erster Linie der Gemeinschaft der Mitarbeiter als einer arbeitsrechtlich inneren Verbindung der Mitglieder. Teams, Abteilungen sowie Redaktionen können solche Verbindungen sein. Nipperdey legt damals schon die rechtliche Grundlage für die Compassionate Leadership; denn sie ist in personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnissen gut geeignet, weil sie die Mitarbeiter mit Herz und Verstand führt. In Fällen der MeToo-Bewegung wie der Affäre Reichelt ist sie besonders gefordert.

Stufe 3: Compassionate Leadership 

Die Compassionate Leadership kommt in allen Darstellungen der Affäre Reichelt nicht vor, wenn auch das Well Being in der Redaktion hin und wieder beleuchtet wird. So werden zwar die Sorge vor einem Exodus an Redakteuren und die Befürchtung geäußert, dass qualifizierte Journalisten nicht zu akquirieren sind; denn die Stimmung in der Redaktion ist durch das Compliance-Verfahren mit seinem für die Zeuginnen enttäuschenden Ergebnis mehr als angespannt. Reichelt ist nämlich nicht nur rehabilitiert; es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er Rache an unliebsamen Kolleginnen üben kann.

Zur Abhilfe wäre der Einsatz einer Compassionate Leadership sinnvoll gewesen; denn sie ist in der Lage, die Stimmung und das Well Being in der Belegschaft zu heben. Das Management fühlt sich in die Psyche der Mitarbeiter ein, damit ein gutes Einvernehmen auch in schwierigen Situationen bestehen bleibt; denn ein gutes Betriebsklima garantiert gute Leistungen. Gute Leistungen schaffen positive Betriebserträge, an denen dem Management gelegen sein muss.

Auf die Affäre Reichelt angewandt, bedeutet der Hype im Management zur Compassionate Leadership: Die Führung des Axel Springer-Konzerns hätte weiter an einer guten Arbeit der Redaktion von „Bild“, also auch nach Rückkehr ihres Chefredakteurs, interessiert sein müssen.

Zusammenfassung zur Beurteilung für den Hype im Management

Die Beurteilung für den Hype im Management erfolgt dreistufig. Die unterste Stufe gilt dem Verfahren nach der Corporate Compliance, das einen mehr öffentlich-rechtlichen und weniger privatrechtlichen Charakter hat. Das Verhältnis der Mitglieder einer Abteilung einschließlich Chef droht auf der Strecke zu bleiben. Deshalb führt der Weg zu einer adäquaten Lösung über das Institut des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es öffnet in Stufe 3 die rechtlichen Möglichkeiten für den Hype im Management zum Einsatz der Compassionate Leadership;¸denn eine ausgewogene Führung mit Herz und Verstand kann die Wogen glätten, die ein Verfahren nach der Corporate Compliance angerichtet hat.

Call-to-Action

Zur weiteren Lektüre wird auf die Blogbeiträge

    sowie auf den Beraterbrief „Emotional intelligente Führung“ Juni 2007 (www.kettembeil.de) verwiesen.

    Fazit

    Der Hype im Management ist ein Rummel im Management. Es hat ihn früher schon um Management-Konzepte gegeben. Heute ist dieser Hype im Management um die Compassionate Leadership zu ergänzen. Die Gründe für den Hype im Management ergeben sich aus den psychischen Entwicklungen, denen das Arbeitsleben ausgesetzt ist.

    Die Folgen bestehen teils aus wirklichen, teils aus eingebildeten und teils aus nicht identifizierbaren psychischen Störungen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Das Burnout-Syndrom ist eine psychische Ergänzungsstörung im Arbeitsleben, an der sich der Hype im Management erklären lässt.

    Eine zweite Erklärung ergibt sich aus der MeToo-Bewegung, die gesellschaftliche Anschauungen zum Verhältnis der Geschlechter verändert hat. Die Affäre Julian Reichelt kann als Grund und Beispiel dafür dienen, dass Compassionate Leadership – auch als Ergänzung zum Compliance-Verfahren – ihre Berechtigung hat.

    Burnout-Syndrom und MeToo-Bewegung sind solche Gründe. Sie belegen, dass der Hype im Management um die Compassionate Leadership erforderlich und noch längst nicht erledigt ist. Die Compassionate Leadership muss sich als feste Größe im psychologisierenden Arbeitsleben etablieren.