Probearbeit ist die neue Geldgrube für Unternehmen. Nicht, dass Probearbeit neu wäre, oder dass es für Firmen neu sei, die Probearbeitenden auszunutzen. Neu ist, dass die Zahl der Unternehmen drastisch angestiegen ist, die Probearbeit vergeben. Der Grund für den Anstieg liegt in den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, die zum Sparen anhalten. Deshalb haben Firmen von Branchen, die ursprünglich gegenüber der Probearbeit skeptisch waren, die Probearbeit als Sparmodell entdeckt. So ist aus der Probearbeit die neue Geldgrube geworden. Sie beschäftigt inzwischen auch die Arbeitsgerichte durch Klagen aus den hinzugekommenen Branchen.
Alte Geldgruben
Die Grundlage der alten Geldgruben ist das Ausnutzen von Bewerber ähnlichen Beschäftigten und Freelancern ist. Gemeint sind Betätigungsverhältnisse, bei denen die Tätigen darauf hoffen, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erlangen. Für Freelancer trifft diese Situation nur zu, sofern sie an einer Dauerbeauftragung oder Festanstellung interessiert sind.
Die Zahl der Arbeitgeber, die in solchen Fällen diese Hoffnungslage ausnutzen, ist nicht erst während der Corona-Pandemie angestiegen. Sie betraut die Betroffenen mit Zusatzaufgaben, die außerhalb ihres Betätigungsverhältnisses liegen zu Arbeitgeber freundlichen Bedingungen. Schon ist eine Geldgrube entstanden.
Einige wichtige Geldgruben, die in normaler Zeit oder während der Corona-Pandemie aktiv sind, werden wegen ihrer Nähe zur Probearbeit kurz beleuchtet.
Geldgruben zu normalen Zeiten
Geldgruben sind für Arbeitgeber die Rechtsverhältnisse mit Praktikanten, Volontären und Freelancern, sofern sie exzessiv ausgelegt werden. Die Grenze zur rechtswidrigen Überziehung ist fließend, zumal die Vorschriften sehr komplex sind.
Praktikantenverhältnis
Das Praktikantenverhältnis bildet die Rechtsgrundlage für das Praktikum. Es ist auf die Dauer von zwei Wochen bis zu drei Monaten angelegt und soll dem Praktikanten praktische Kenntnisse für seinen künftigen Beruf verschaffen. Für die Bezahlung bei echten Praktika gilt der Mindestlohn gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG (Mindestlohngesetz).
Die Unterscheidung zwischen echten und unechten Praktika deutet auf eine Grauzone hin, in der die Praktika zu Geldgruben werden. In dieser Grauzone setzen die Arbeitgeber die Praktikanten als billige Arbeitskräfte zu Tätigkeiten ein, die mehr ihren Lohneinsparungen als dem Kenntnisgewinn der Lernwilligen dienen. Die Praktika werden für den Arbeitgeber zu Geldgruben. So ist auch die „Generation Praktikum“ entstanden.
Sofern rechtswidrige Übertragungen von Arbeiten an die Praktikanten vorliegen, die nicht auffallen, sind die echten Praktika ebenfalls als Geldgruben zu bewerten. Werden diese Überziehungen enttarnt, werden die Praktika zu Scheinpraktika, die gem. §§ 134, 612 Abs. 2 BGB Vergütungen auslösen. Eine Alternative ist, dass aus den enttarnten Praktika vollwertige Arbeitsverhältnisse mit den entsprechenden Rechtsfolgen werden. In beiden Fällen verlieren sie ihren Charakter als Geldgrube.
Volontärverhältnis
Das Volontärverhältnis ist die Rechtsgrundlage für Volontariate. Die Legaldefinition für Volontäre findet sich in § 82a HGB. Das Volontariat ist ein freiwilliges Ausbildungsverhältnis ohne geordneten Ausbildungsgang. Seine Vertragsgrundlage als Ausbildungsverhältnis regelt § 10 BBiG (Berufsbildungsgesetz). In § 17 BBiG sind der Vergütungsanspruch und die Mindestvergütung für Volontäre festgelegt.
Volontariate werden in karitativen oder kaufmännischen Bereichen sowie in der öffentlichen Verwaltung angeboten. Sie dienen zur Vorbereitung auf den Beruf oder der Weiterbildung. Redaktionsvolontariate werden die nach geordneten Regeln verlaufenden Berufsausbildungsverhältnisse von Journalisten genannt.
Trotz der größeren Rechtssicherheit für Volontäre gegenüber Praktikanten sind Volontariate sehr wohl in der Lage, zur Geldgrube für Arbeitgeber zu werden. Auch dort können höherwertige Aufgaben übertragen werden. So ist der Einsatz von Volontären als vollwertige Redakteure in Außenredaktionen kein Einzelfall.
Sofern eine rechtswidrige Übertragung von Tätigkeiten an Volontäre vorliegt, erhalten die Volontäre, wie bei den Praktikanten bereits beschrieben, ausgleichende Vergütungsansprüche, oder die Volontärverhältnisse werden in reguläre Arbeitsverhältnis umgewandelt. Aus Redaktionsvolontären werden Redakteure.
Freies Arbeitsverhältnis
Das freie Arbeitsverhältnis trägt schon in sich den Kern einer Geldgrube; denn die Beschäftigung von Freelancern erspart dem Arbeitgeber die Kosten einer Festanstellung. Rechtlich bestehen keine Bedenken gegen ein freies Arbeitsverhältnis, moralisch nur, wenn es der Verhinderung eines Arbeitsvertrages dient.
Da der Mindestlohn für Freelancer nicht gilt, kann allein sein Unterschreiten ein freies Arbeitsverhältnis für den Auftraggeber zur Geldgrube machen. Ihrer Tiefe sind theoretisch keine gesetzlichen Grenzen gesetzt. Allerdings ist der Freelancer jederzeit unter Einhaltung der Kündigungsfrist berechtigt, das freie Arbeitsverhältnis zu beenden.
Die Scheinselbstständigkeit ist ein solcher Fall; denn der Scheinselbstständige arbeitet für nur einen Arbeitgebergeber, von dem er weisungsabhängig ist (§ 7 Abs.1 SGB IV). Die Scheinselbstständigkeit zieht gravierende Folgen in unterschiedlichen Rechtsgebieten nach sich. Außerdem ist sie Schwarzarbeit. Mit der Geldgrube für den Auftraggeber ist es dann vorbei.
Geldgruben während der Corona-Pandemie
Die Geldgruben während der Corona-Pandemie entstehen aus der Änderung von Verhaltensweisen. Da die Corona-Pandemie die Umsätze der meisten Unternehmen hat schrumpfen lassen, ist die Anpassung der Kosten das vorrangige Ziel. „Sparen!“, heißt die Devise einerseits; andererseits lautet sie: „Verhalten zu Einsparungen verändern!“, damit Geldgruben ausgehoben werden können.
Reduzierung von Vergütungen
Die Reduzierung von Bezahlungen ist eine der Geldgruben, die sich während der Corona-Pandemie aufgetan hat. Mitarbeitern zu schlechteren Bedingungen einzustellen, ist eine Verhaltensänderung der Recruiter im Einstellungsverfahren. Zwar hat es die Reduzierung von Bezahlungen schon vor der Pandemie gegeben, aber in normalen Zeiten ist sie schädlich. Sobald die frisch Eingestellten merken, dass sie für die gleiche Arbeit niedriger als die Stammbelegschaft bezahlt werden, kündigen sie und wechseln den Arbeitsplatz. Während der Corona-Pandemie sind Stellenwechsel erschwert, weil Arbeitsplätze durch Personalanpassungen und Firmenpleiten weggefallen sind.
Der Preisdruck auf Lieferanten ist eine weitere Art einer Reduzierung von Vergütungen. Die den Preisdruck fördernde Verhaltensweise ist eine abschätzige Behandlung des Lieferanten. Sie ist zwar nicht neu; aber Corona bedingt wurde sie mit verstärkter Arroganz eingesetzt, sofern die Marktmacht des Kunden den Preisdruck zuließ.
Gegenüber Freelancern erwies sich der Preisdruck als überaus erfolgreich. So wurden die Honorare freier journalistischer Mitarbeiter bis auf die Hälfte gekürzt. Eine Abkehr vom flexiblen Zeilenhonorar und eine Hinwendung zum Fest-Honorar auf Seiten-Basis wurde zur Regel. Da das neue Seitenhonorar niedriger war, traf diese Umstellung die freien Journalisten als Minderung ihres Honorars. Die Preisreduzierung erwies sich als Geldgrube.
Weniger Aufträge an Lieferanten zu erteilten, war eine weitere Sparmaßnahme der Unternehmen als Folge ihrer Corona bedingt schwindenden Wirtschaftskraft. Die mit den Aufträgen verbundenen Aufgaben wurden entweder gänzlich eingespart oder von den Firmen selbst erledigt. Der Einspareffekt der selbstgefertigten Aufträge war eine Stärkung der Liquidität; denn das Entgelt ging nicht an die Lieferanten, sondern blieb im Hause.
Alle drei Verhaltensweisen wirkten wie eine Reduzierung der Vergütung, also wie eine Geldgrube.
Übertragung weiterer Aufgaben an Dienstleister
Die Übertragung weiterer Aufgaben an Dienstleister zur Entlastung der Firmen erwies sich während der Corona-Pandemie als zusätzliche Geldgrube; denn die Übertragung war an einen Preisnachlass je Vorgang geknüpft. Die Auftragnehmer hatten keine Wahl, die ihre Kosten kaum deckenden und ihre Kapazitäten stark beanspruchenden Aufträge abzulehnen; denn Corona bedingt war die Marktmacht der Auftraggeber gewachsen.
Ein Austausch der Kunden war schier unmöglich, weil die Aufträge kartellähnlich zu denselben Konditionen vergeben wurden. Ein Beispiel ist Bildberichterstattung durch freie Reporter. Seit der Corona-Pandemie sind die Bildhonorare verlagsübergreifend im Seitenhonorar für die Reportage enthalten.
Kombination von Geldgruben
Die Kombination von Geldgruben lässt sich phantasiereich leicht ausmalen. Ihre häufigste Form ist die Auslagerung von Aktivitäten, wie das folgende Beispiel zeigt.
Fallbeispiel Verkaufsleitung
„Werden Sie erst einmal für uns tätig, schaffen Sie die ersten Aufträge herbei, und dann sehen wir weiter.“ So lautet der fast ständige Spruch eines Verlagsgeschäftsführers im Vorstellungsgespräch, wenn sich die Kandidaten für die Übernahme der Verkaufsleitung in Festanstellung bewerben.
Mit diesem Spruch verlässt das Gespräch die mit der Vorstellung verbundene Festanstellung. Sie wird zum Angebot für einen selbstständigen Handelsvertretervertrag gem. §§ 84 ff HGB. Der Bewerber soll nicht als Angestellter, sondern als Freelancer „Geschäfte vermitteln“.
Eine Festanstellung gem. § 84 Abs. 2 HGB ist ausdrücklich durch die Worte ausgeschlossen: „Wir stellen Sie ein, wenn Sie erfolgreich sind.“ Mit dem Angebot hatte der Verlagsgeschäftsführer eine Vergütung unter Mindestlohn verbunden und auf seinem Direktionsrecht beharrt.
Erläuterung des Fallbeispiels Verkaufsleitung
Die im Fallbeispiel angebotenen Stelle ist nicht weit von der Probearbeit entfernt. Sie wird am Ende des Bewerbungsgespräch wie eine Aufgabe auf Probe offeriert. Der Bewerber soll sich zwar im Verkaufsaußendienst beweisen; aber der Antritt des Beweises sichert nicht die Festanstellung, sondern allenfalls der wirtschaftliche Nutzen der Neukunden für den Verlag. Doch auch die Gewinnung neuer Kunden durch den Bewerber steht unter dem Vorbehalt des Verlagsgeschäftsführers: „dann sehen wir weiter“. Deshalb handelt es sich um die Auslagerung des Verkaufs an einen Freelancer. Da der Freelancer dem Mindestlohn nicht unterliegt, ist seine Vergütung sogar reduziert.
Das Angebot ist also eine Geldgrube aus der Kombination aus reduzierter Vergütung und übertragener Aufgaben.
Allerdings hat der Verlagsgeschäftsführer mit dem Verharren auf seinem Direktionsrecht einen entscheidenden Fehler begangen. Sein Angebot führt nämlich direkt in die Scheinselbstständigkeit und damit zum rechtswidrigen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz.
Zusammenfassung der Geldgruben
Die Geldgruben aus den besonderen Beschäftigungsverhältnissen für Praktikanten, Volontäre und Freelancer stehen der Probearbeit als neuer Geldgrube sehr nahe. Auch die während der Corona-Pandemie weiterentwickelten Verhaltensweisen zur Preisreduzierung und Übertragung weiterer Aufgaben bestätigen ihren Charakter als Geldgrube. Gerade der Beispielfall Verkaufsleiter macht Überschneidungen anderer Geldgruben zur Probearbeit deutlich. Er zeigt auch, wie Geldgruben in der rechtlichen Grauzone gedeihen.
Probearbeit als neue Geldgrube
Die Probearbeit als neue Geldgrube passt thematisch zu den bereits genannten Geldgruben, weil auch sie nur in ihrer Grauzone sprudelt. Ebenfalls hat sie mit Betätigung zu tun und beruht auch nicht auf einem Arbeitsverhältnis. Zeitlich liegt die Probearbeit vor den beschriebenen Rechtsverhältnissen, gehört aber weder zu ihnen noch zu den Arbeitsverhältnissen.
Probearbeit
Die Probearbeit ist ein Sonderfall im Arbeitsrecht. Sie ergänzt das Einstellungsverfahren, ohne schon zum Arbeitsverhältnis zu gehören. Sie beruht auch nicht auf kodifiziertem Recht. Deshalb ist es erforderlich, die Grundzüge der Probearbeit zu beschreiben.
Ziel der Probearbeit
Das Ziel der Probearbeit liegt in der Überprüfung des Eindrucks, den ein Bewerber bei seinem Vorstellungsgespräch hinterlassen hart. Einerseits wird er positiv bewertet, sonst hätte der Arbeitgeber die Probearbeit nicht vorgeschlagen; andererseits bestehen Zweifel, ob der Abschluss eines Arbeitsvertrages die richtige Entscheidung ist. Die Zweifel können sich auf die Qualifikation des Kandidaten, aber auch auf die weichen Faktoren beziehen, nämlich ob er menschlich zu seinen künftigen Kollegen passt.
Deshalb wird dem Bewerber die Gelegenheit gegeben, sich mit der neuen Stelle und ihrem Umfeld vertraut zu machen. Dabei kann er sich als neuer Kollege vorstellen. Er sollte sich bei der Probearbeit einerseits engagiert einbringen, um sein Interesse an der Aufgabe zu bekräftigen; anderseits sollte er für sich kritisch prüfen, ob Aufgabe und Arbeitgeber zu ihm passen.
Der Sinn der Probearbeit für Leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3,4 BetrVG und § 14 Abs.2, 9 Abs.1 Satz 2 KSchG wird häufig bestritten. Diese „echten“ Leitenden Angestellten könnten während der Probearbeit niemanden leiten. Doch sind in diesen Fällen die weichen Faktoren nicht außer Acht zu lassen.
Rechtliche Einordnung der Probearbeit
Die rechtliche Einordnung der Probearbeit bereitet einiges Kopfzerbrechen. Die Probearbeit ist nämlich nicht mit der Probezeit zu verwechseln, die, sofern vereinbart, Teil des Arbeitsvertrages ist.
Die Probezeit darf die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses nicht übersteigen, in denen die Kündigung mit einer Frist von zwei Wochen erlaubt ist. Damit trägt die Vorschrift des § 622 Abs. 3 BGB dem Bedürfnis der Parteien Rechnung, den Arbeitsvertrag in der Probezeit früher auflösen zu dürfen, sofern sie die Probe der Zusammenarbeit nicht bestanden haben.
Genau dieser Probe dient auch die Probearbeit, ohne schon zu einem Arbeitsverhältnis zu gehören. Sie ist ein selbstständiges Rechtsverhältnis vor der vertraglich vereinbarten Probezeit, aber nach der Bewerbung um den zugrunde liegenden Arbeitsplatz; denn das Anbahnungsverhältnis der Bewerbung gem. §§ 311 Abs. 2 und 241 Abs. 2 BGB (siehe Blog Beitrag „Verantwortlichkeit der Recruiter“ ) ist seit der Verabredung zur Probearbeit beendet.
Diese Lücke haben die Sozialgerichte richterrechtlich mit dem Institut des Einfühlungsverhältnisses geschlossen, das sich „mittlerweile in der Arbeitswelt weitgehend durchgesetzt“ (Bundessozialgericht, Urteil vom 20.08.2019, B 2 U 1/18 R) hat.
Probearbeit als „Einfühlungsverhältnis“
Das Einfühlungsverhältnis wurde in Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis vom Arbeitsgericht Düsseldorf und vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Jahre 2007 benannt. Da eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dazu noch nicht ergangen ist, basiert es auf dem Richterrecht der Landesgerichte. Seine Tatbestandsmerkmale müssen aus den verschiedenen Urteilen dieser Gerichte zusammengestellt werden.
Doch haben sich bereits folgende Tatbestandsmerkmale gebildet.
- Die Dauer der Probearbeit beträgt in den meisten Fällen einen Arbeitstag; aber auch eine Arbeitswoche von fünf Tagen ist möglich. Die tägliche Arbeitszeit liegt bei acht Stunden in Vollzeit und zwischen 4 bis 6 Stunden in Teilzeit.
- Die Arbeitsleistung der Probearbeit ist auf den Wert eines Probestücks begrenzt. Es darf für den Probearbeitgeber keinen eigenen Wert haben. So ist die Mitarbeit des Probearbeitenden bei einem Projekt erlaubt, die Bearbeitung eines selbstständigen Projekts aber nicht. Deshalb darf der Probearbeitende an der Erstellung eines Artikels mitwirken, ihn aber nicht selbst schreiben. Dasselbe gilt für die Fertigung eines handwerklichen oder industriellen Produkts.
- Ein rechtlicher Anspruch auf die Vergütung der Probearbeit besteht nicht, weil das Einfühlungsverhältnis eben ausdrücklich kein Arbeitsverhältnis ist. Natürlich können Probearbeitende mit ihrem Probearbeitgeber eine Vergütung frei aushandeln. Für sie gilt dabei der Mindestlohn nicht.
- Es besteht auch kein Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung; sie muss deshalb zwischen den Parteien des Einfühlungsverhältnisses vereinbart werden.
- Eine Unfallversicherung für Probearbeitende hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 20.08.2019 (B 2 U 1/18 R) verfügt, indem es die Probearbeitenden als Wie-Beschäftigte gem. § 2 Abs.2 Satz 1 SGB (Sozialgesetzbuch) VII eingestuft hat.
Die Grenzen der Probearbeit ergeben sich aus den genannten richterrechtlichen Tatbestandsmerkmalen. Ein Überschreiten macht aus dem Einfühlungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis. Auch ist eine Verfolgung wegen Schwarzarbeit nicht ausgeschlossen.
Resümee zur Probearbeit
Die Aufgabe der Probearbeit ist es, Restzweifeln aus dem Bewerbungsverfahren am Kandidaten in der Praxis nachzugehen. Schwierigkeiten bestehen in ihrer rechtlichen Zuordnung, weil noch kein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Mit dem Institut des Einfühlungsverhältnisses haben die Gerichte der Länder die Lücke geschlossen und Tatbestandsmerkmale in ihren Urteilen formuliert. Die höchstrichterliche Rechtsprechung steht noch aus.
Neue Geldgrube
In Zeiten der Corona-Pandemie hat die Probearbeit als Geldgrube weiterentwickelt.
Neu ist, dass sich die Probearbeit von einem Prüfinstrument der Stellenbewerbung zu einem festen Bestandteil des Bewerbungsverfahrens entwickelt hat. Mit dem Rechtsinstitut des Einfühlungsverhältnisses hat die Probearbeit eine rechtliche Struktur gewonnen, die an ein Arbeitsverhältnis grenzt.
Solange die Grenze gewahrt bleibt, ist dagegen nicht viel einzuwenden. Allerdings schließt das Einfühlungsverhältnisses eine Grauzone ein, die diese neue Geldgrube ermöglicht.
Diese Geldgrube öffnet sich nämlich bereits, wenn die Probearbeitgeber an den Stellschrauben im Einfühlungsverhältnis zu drehen beginnen. Gemeint sind Dauer der Probearbeit, Leistungsanforderungen an den Probearbeitenden oder dessen Vergütung.
Grauzone
Da die Tatbestandsmerkmale des Einfühlungsverhältnisses nur richterrechtlicher Natur sind, können sie flexibel ausgelegt werden. So hat sich eine Grauzone im Übergang vom Einfühlungsverhältnis zum Arbeitsverhältnis aufgetan. Und diese Grauzone ist die Basis für die Geldgrube.
Diese Grauzone sorgt dafür, dass viele Einfühlungsverhältnisse, die eigentlich Arbeitsverhältnisse sind, unentdeckt bleiben. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Nachteile der Corona-Pandemie für die Arbeitsverhältnisse. Sie verhindern, dass betroffene Probearbeitende ihre Anstellungsansprüche gerichtlich verfolgen.
Medien-Branche
So haben die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie die Begehrlichkeiten bei Arbeitgebern neu erweckt, die Probearbeit als Geldgrube zu nutzen.
Die Medien sind eine neu erweckte Branche; aber sie braucht sich kaum vor den Journalisten zu fürchten. Schließlich ist durch Corona bedingte Entlassungen die Zahl der Redakteursstellen stark geschrumpft. Außerdem ist der Wert dieser Positionen durch Verknappung stark gestiegen. Viele Journalisten, die ihren Job verloren haben oder als freie Journalisten Kürzungen ihres Honorars haben hinnehmen müssen, scheuen bei Missbrauch der Probearbeit den Gang vor Gericht.
Ein erstes Urteil für die Medien-Branche
Ein erstes zweitinstanzliches Urteil zur Probearbeit für die Medien ist kürzlich ergangen.
Ein Journalist hatte eine siebentägige Probezeit als Redakteur in Vollzeit ohne Bezahlung abgeleistet. Das angerufene Arbeitsgericht wertete die Probezeit nicht als Einfühlungsverhältnis, sondern als Arbeitsverhältnis. Es sprach dem Kläger die volle Bezahlung für seine Beschäftigung zu, wobei es ein beendetes Arbeitsverhältnis unterstellte.
Die zweite Instanz trat diesem Urteil bei, ging aber von einem noch nicht gekündigten Arbeitsverhältnis aus. Dadurch verlängerte sich der Gehaltsanspruch des Journalisten gegen das Medienhaus auf den Zeitraum von über einem Jahr. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
Dieses Urteil könnte eine Signalwirkung für die Medienbranche haben und eine Änderung der Einstellung zur Probearbeit einleiten; denn seine finanziellen Folgen für das Medienhaus sind das Ende der Probearbeit des Journalisten als Geldgrube. Ausführlicher wird der Prozess beschrieben im Spot Juli 2021.
Resümee zur neuen Geldgrube
Die neue Geldgrube, zu der sich die Probearbeit entwickelt hat, ist auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen.
Begünstigt wird sie durch die Unschärfe der Tatbestandsmerkmale des durch Richterrecht entstandenen Einfühlungsverhältnisses. Unternehmen nutzen die damit verbundenen Möglichkeiten einer Grauzone für eine Geldgrube. Gerichtliche Störungen des Geldflusses brauchen sie kaum zu fürchten, da die Probearbeitenden Corona bedingt auf Zahlungsklagen verzichten.
Dennoch ist Vorsicht angesagt, weil das zitierte Urteil für die Medien-Branche so manchen Journalisten aufwecken und die neue Geldgrube zum Erliegen bringen könnte.
Zusammenfassung zur Probearbeit als neuer Geldgrube
Die Probearbeit ist während der Corona-Pandemie als neue Geldgrube auferstanden.
Viele Arbeitgeber haben auf der Suche nach Kosteneinsparungen das Probearbeitsverhältnis wie in ein kostenloses Arbeitsverhältnis behandelt. Dabei ist ihnen entgangen, dass die Rechtsprechung das Probearbeitsverhältnis als Einfühlungsverhältnis mit eigenen Tatbestandsmerkmalen qualifiziert hat.
Die dadurch entstandene Grauzone bis an die Grenze zum Arbeitsverhältnis lässt die Probearbeit als neue Geldgrube sprudeln. Sie wird aber nicht nur eingedämmt, wie das Urteil zur Probearbeit für die Medien-Branche zeigt; sondern sie wird zum Bumerang, wenn das Einfühlungsverhältnis nicht rechtzeitig beendet wird. Die ungekündigte Dauer führt zum Annahmeverzug, der mit einer nach oben offenen Skala für Vergütungsnachzahlungen verbunden ist.
Call-to-Action
Zur ergänzenden Lektüre sei auf den Blog-Beitrag „Verzicht auf qualifizierte Bewerber – ein fahrlässiges Umdenken in den HR“ und den Beraterbrief „Die Falle befristeter Arbeitsverträge“ (April 2015) auf www.kettembeil.de verwiesen.
Fazit
Probearbeit hat sich neben anderen arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen als Geldgrube während der Corona-Pandemie neu entwickelt. In Abweichung zu den anderen Geldgruben ist das Probearbeitsverhältnis kein Beschäftigungsverhältnis, sondern ein richterrechtlich entstandenes Einfühlungsverhältnis.
Dessen Rechtsnatur ermöglicht zwar eine kostenlose Probearbeit durch den Kandidaten, der das Bewerbungsverfahren auf ein Jobangebot erfolgreich gemeistert hat; aber sie verhindert eine Grauzone nicht, in der Arbeitsverhältnisse als Einfühlungsverhältnisse verschleiert werden.
In dieser Grauzone gedeiht die Probearbeit als Geldgrube, sofern ihr Missbrauch unentdeckt bleibt. Zur neuen Geldgrube wird sie, wenn die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie aussichtsreiche Gerichtsprozesse der Probearbeitenden auf Zahlung von Vergütungen verhindern. Selbst ein nur in Aussicht gestelltes Jobangebot hat nach dem Endowment-Effekt dieselbe Wirkung (siehe Blog-Beiträge „Endowment-Effekt in den Human Resources“ und „Verlustaversion des Bewerbers“).
Erfolgreiche Klagen vor den Arbeitsgerichten lassen nicht nur die Probearbeit als Geldgrube versiegen. Sie verhelfen den Klägern auch zu erfreulichen Nachzahlungen ihrer Vergütungen.
Branchen wie die Medien haben die Probearbeit als neue Geldgrube entdeckt. Das zitierte Urteil für die Medien-Branche könnte eine Signalwirkung ausüben und Probearbeit als neue Geldgrube erst gar nicht entstehen zu lassen.
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