Schach steht im Fokus der Neuroplastizität; denn das Schachspiel ist eine geeignete Maßnahme, die Umbaufähigkeit des Gehirns bis ins hohe Alter aufrechtzuerhalten. Welchen Einfluss Schach auf die Neuroplastizität ausübt, lässt sich in der Literatur zu Schachspielern ablesen. Es kommt nicht darauf an, dass sie real oder fiktiv sind. Sie sind Zeugen dafür, wie sich die Neuroplastizität auf ihre literarischen Karrieren ausgewirkt hat. Sie sind Abbilder der Wirklichkeit, die Schach im Fokus der Neuroplastizität verankert.
Schach im Fokus
Schach steht im Fokus vieler Betrachtungen und Erörterungen; gerade erlebt Schach sogar einen Hype, wie neue Aufführungen von „Chess, the Musical“ aus dem Jahr 1984 belegen. Die Rahmenhandlung bilden ein Schachturnier zwischen einem US-amerikanischen und einem russischen Großmeister sowie der Kalte Krieg.
Aktueller Fokus auf Schach
Der aktuelle Fokus auf Schach hat sich rund um das Schachspiel gebildet. Zu ihm zählen Lehrbücher zum Schach. Aufzeichnungen von Schachpartien dienen der Dokumentation und der Kommentierung, aber auch Lernzwecken. Das Problemschach wird in Schachrätseln aktiviert; es bedient häufig Konstellationen der Schachfiguren, die in Spielsituationen kaum vorkommen.
Bestrebungen, das Schachspiel zu modernisieren, sind ein Nebeneffekt von Turnieren und Weltmeisterschaften der professionellen Schachspieler. Deren Schachwelt bildet einen eigenen Fokus, der sich von dem der normalen Spieler deutlich unterscheidet. Er enthält nämlich zusätzliche Aspekte, die deren Existenzgrundlage berücksichtigen.
Fokus auf „Schachphilosophische Aspekte“
Der Fokus „Schachphilosophische Aspekte“ beschäftigt sich mit grundsätzlichen Fragen: Wozu Schachspielen? Warum heute noch Schachspielen?.
Ob und wie darauf Antworten möglich sind, lässt sich erahnen, wenn Ansichten ausgewählter Philosophen beigezogen werden.
Philosophische Literatur in der Antike zum Brettspiel
Die philosophische Literatur in der Antike zum Brettspiel sei auf die beiden Philosophen Platon und Aristoteles beschränkt.
Platon
Platon (428 – 348 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph und Schüler von Sokrates ( 469 – 399 v. Chr.). Da Sokrates keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterließ, hat Platon dessen Gedanken in seinen eigenen Werken veröffentlicht.
Das Brettspiel wird von Platon in der „Politeia“ als ernsthafte Tätigkeit beschrieben: „obwohl doch auch im Brettspiel … nicht leicht einer zu etwas bringt, der sich nicht von Kindheit an damit beschäftigt, sondern es nur beiläufig betrieben hat.“ (Rdnr. 374 c)
In „Nomoi“ berichtet Platon darüber, dass die Greise das Brettspiel als Zeitvertreib im Wettbewerb sehen (Rdnr. 820 c) und „daß die jungen Leute es erlernen müssen; denn das ist weder nachteilig noch schwierig und wird, spielend erlernt, ihnen Nutzen, unserem Staat aber keinen Schaden bringen.“ (Rdnr. 820 d)
Die Schachphilosophischen Aspekte von Platon zum Brettspiel sind: es ist konzentriert und langfristig zu betreiben, wenn es erfolgreich sein soll; es ist nicht nur Zeitvertreib für Greise, sondern auch jungen Leuten nützlich.
Aristoteles
Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) war ein griechischer Universalgelehrter und Schüler von Platon.
Die Glückseligkeit kann nicht durch das Spiel definiert werden; denn dann wäre Spielen Mühe und Arbeit. In „Nikomachische Ethik“ sagt Aristoteles: „Das Spielen ist nämlich eine Art von Erholung. Der Erholung bedürfen wir, weil wir nicht ununterbrochen arbeiten können. Also ist die Erholung nicht Zweck.“ (Rdnr. 1176 b)
In „Politik“ schlägt Aristoteles vor, das Spiel dürfe zur Erholung von der Arbeit nicht unbedacht eingesetzt werden. Sondern es ist zu dosieren, … indem man es wie eine Arznei anwendet.“ (Rdnr. 1337 b) Es bewirkt die Entspannung der Kräfte und führt zu Vergnügen, das die Erholung ausmacht.
Für Aristoteles liegt der Fokus Schachphilosophische Aspekte auf dem Brettspiel als Erholung von Mühe und Arbeit. Es ist wie eine Arznei zu verabreichen.
Philosophische Literatur im 19. und 20 Jahrhundert
Die philosophische Literatur im 19. und 20. Jahrhundert zum Schach oder zum Brettspiel ist fast unüberschaubar. Deshalb wird auf Aspekte zum Schach bei Schopenhauer und Wittgenstein zurückgegriffen.
Arthur Schopenhauer
Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) sieht seinen Fokus Schachphilosophische Aspekte bei der Beschäftigung mit Schach.
Schach ist für ihn mit dem Leben zu vergleichen: „Es ist im Leben wie im Schachspiel: wir entwerfen einen Plan: dieser bleibt jedoch bedingt …“ („Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit,“ Sämtliche Werke, Band IV, S. 48)
Im Leben sorgt das Schicksal, im Schach der Gegner dafür, dass der ursprüngliche Plan nach seiner Umsetzung kaum noch zu erkennen ist.
„Überhaupt aber wird jedes unbeschäftigte Individuum, je nach der Art der in ihm vorwaltenden Kräfte, sich ein Spiel zu ihrer Beschäftigung wählen; etwa Kegel oder Schach;“ (ebda., S. 401)
Bei Schopenhauer umfasst sein Fokus Schachphilosophische Aspekte die teilweise Parallelität von Leben und Schach sowie das Schachspiel als Beschäftigung unbeschäftigter Leute.
Ludwig Wittgenstein
Der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951) ist ein Philosoph der Sprache und der Sprachspiele. Seinen Fokus Schachphilosophische Aspekte arbeitete er in seiner „Philosophische Grammatik“ aus.
Die Analogie zwischen Sprache und Schach sei an zwei Beispielen aufgezeigt: „…die Bedeutung eines Wortes sei die Rolle, die es im Kalkül der Sprache spiele. (Ich verglich es mit einem Stein im Schachspiel).“ (ebda. Nr. 31, S. 67) Die Bedeutung des Wortes ist spielerisch zu erfahren wie die Bedeutung des Königs für das Schachspiel.
Über die Sprache (Satz, Wort, etc.) ist in der Alltagssprache zu reden., also auch in der Sprache des Schachspiels. „Die Frage „was ist ein Wort?“ ist analog der „was ist eine Schachfigur (etwa der Schachkönig)“ („Philosophische Untersuchungen“, Nr. 77, S. 121).
Wittgenstein bündelt seine Schachphilosophischen Aspekte in der Analogie von Sprachspiel und Schach. „Schachkönig“ ist ein Wort. Seine Züge im Spiel folgen einer spielerischen Grammatik.
Belletristische Literatur
Die Belletristische Literatur erweitert mit zwei Beispielen den Fokus Schachphilosophische Aspekte.
Edgar Allan Poe
Der US-amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe (1809 – 1848) hat sich explizit mit Schach befasst. Als Detektiv war Poe 1836 bemüht, das Geheimnis des „Schachtürke“ aufzudecken.
Seine 1841 veröffentlichte Kriminalgeschichte „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ beginnt mit einem Fokus zu Schachphilosophischen Aspekten. Schachspieler seien zwar zu Mathematik und Rechnen, aber nicht zur Analyse befähigt. „Berechnen allein heißt aber noch nicht Analysieren. Ein Schachspieler zum Beispiel tut das eine, ohne sich um das andere zu bemühen. Daraus folgt, daß das Schachspiel in seinen Wirkungen auf das geistige Anlagen durchaus mißverstanden wird.“ (ebda., S. 12 f)
Poe legt seine Schachphilosophischen Aspekte auf die Unfähigkeit der Schachspieler zur Analyse.
Alan Bennett
Der britische Schriftsteller Alan Bennett (* 1934) hat ein Gespür für Komik und Tragik im Alltagsleben. Das Gespür schließt ebenfalls seinen Fokus Schachphilosophische Aspekte ein.
Die schachphilosophische Komik spießt er in seinem 1987 für die BBC aufgezeichneten Monolog „Ein Pomme Frite im Zucker“ (in „Kräcker unterm Kanapee“, S. 7 ff) auf: „Ich sage: „Ich gehe ins Bett.“ … Sie sagt: „Ich weiß, was du für Zeitschriften liest.“ … „Über Schach“, sage ich. … „Schach? Niemals“, sagt sie. „Schach ohne Kleider, was? Nacktschach. Die Sorte Schach. Schach mit Männern.“ (in „Kräcker unterm Kanapee“, S. 26)
Bei Bennett richten sich die Schachphilosophischen Aspekte auf die Komik im Alltag, sofern sie sich auf Schach bezieht.
Neuroplastizität im Schach
Die Neuroplastizität im Schach lässt sich anhand von Beispielen aus der Belletristik treffend schildern. Neuroplastizität ermöglicht die Umbaufähigkeit des Gehirns. Das Schachspiel ist eine Maßnahme, die Plastizität oder die Beweglichkeit der Neuronen im Gehirn zu fördern.
Die Autoren der folgenden Schriften sind alle im Schachspiel bewandert. Sie schildern die unterschiedlichen Typen von Schachspielern in ungewohnten Perspektiven. Die Autoren nehmen aber keinen Bezug auf die Neuroplastizität.
„Das Damengambit“ von Walter Tevis
„Das Damengambit“ ist ein 1983 verfasster Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Walter Tevis (1928 – 1984). Er schildert das Schicksal des fiktiven Schachgenies Elizabeth „Beth“ Harmon. Es muss sich als Mädchen und Frau in der Männerdomäne vom professionellen Schach durchsetzen.
Inhaltsangabe zu „Das Damengambit“
Die Inhaltsangabe zu „Das Damengambit“ beschränkt sich auf Schach-relevante Inhalte.
Erste Kontakte zum Schach
Erste Kontakte zum Schach hatte Beth nach dem Tod ihrer Eltern im Waisenhaus. Dort wurden die Kinder nachts mit grünen Pillen ruhiggestellt. In der Schule ist sie die beste Schülerin, besonders in Mathematik. Vom Hausmeister lernt sie mit acht Jahren Schach, der ihr Talent erkennt. Gefördert wird sie durch einen Schachverein. Nach ihrer Adoption kümmert sich die Adoptivmutter um Beths Karriere und begleitet sie zu Turnieren. Im Gegenzug unterstützt Beth die Adoptivmutter mit Einnahmen aus ihren Preisgeldern. Ab dem Alter von 16 Jahren spielt sie nur noch gegen erwachsene Männer.
Nach dem Tod der Adoptivmutter wird Beths Kontakt zu Trainern schwächer, weil sie ihnen überlegen ist. Sie verfällt dem Alkohol und ihren Pillen. Beth vereinsamt, verpasst die Teilnahme an Schachveranstaltungen. Sie verliert sogar ein wichtiges Turnier in Paris. In dieser schwierigen Situation taucht ihre Freundin Jolene aus dem Waisenhaus auf. Sie ist Sportlehrerin mit einem eigenen Studio, in dem sie Beth wieder fit macht. So gestählt, bereitet Beth sich auf die Schach-Weltmeisterschaft in Moskau vor. Bekanntschaften mit Schachspielern scheinen wieder möglich zu sein.
Schach-Weltmeisterschaft in Moskau
Die Schach-Weltmeisterschaft findet in Moskau, dem Schach-Mekka, statt. Dort wird Beth als Amerikanerin und Frau von den dominierenden Russen nicht für voll genommen. Schließlich sitzt sie im Endspiel dem russischen Titelverteidiger Vasily Borgov gegenüber, gegen den sie schon mehrfach verloren hat. Beth spielt weiß und eröffnet mit einem Damengambit. Borgov antwortet mit Albin Gegengambit. Kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit fordert Borgov „Hängepartie“ und Vertagung bis zum nächsten Morgen. Beth ist klar, dass Borgov sich mit seinem hochqualifizierten Team auf das Endspiel vorbereiten will. Sie ist verzweifelt.
Da ruft zur Frühstückszeit des folgenden Tages ihr Freund Benny an, der zusammen mit dem Schachmeister Levertov die Partie gegen Borgoy analysiert hat. Beide coachen Beth. Kurz darauf beginnt die Fortsetzung der Hängepartie von Beiden verbissen. Plötzlich bietet Borgov „remis“ an. Das Spiel wäre vorbei und Beth Borgov ebenbürtig. Ihre innere Stimme rät zur Annahme, doch sie lehnt das Angebot ab und gewinnt.
Neuroplastische Analyse zum Schach in „Das Damengambit“
Die neuroplastische Analyse zum Schach in „Das Damengambit“ sieht in drei Phasen Schach im Fokus der Neuroplastizität.
Phase 1: Erforderliche Maßnahmen für die Neuroplastizität
Die Phase 1 reicht vom Schachlernen der achtjährigen Beth bis zum Tod der Adoptivmutter.
In Phase 1 ist die Umbaufähigkeit des Gehirns voll aktiv. Als sehr gute Schülerin, besonders in Mathematik, ist Beth bei den zum Erhalt der Neuroplastizität erforderlichen Maßnahmen aktiv. Die durch ihre Karriere begründete Spezialisierung tut keinen Abbruch, da die sozialen Grundbedürfnisse durch die Reisebegleitung der Adoptivmutter erfüllt sind.
Die zum Erhalt der Neuroplastizität erforderlichen Maßnahmen wie intensives Lernen und intakte soziale Kontakte bestimmen die Phase 1.
Phase 2: Bedeutung von Sport für die Neuroplastizität
Die Phase 2 reicht bis zum Turnier um die Weltmeisterschaft in Moskau.
Die Spezialisierung von Beth auf Schach zeigt die krankmachenden Folgen. Die sozialen Kontakte zu Trainern und anderen Spieler brechen nach und nach ein. Der Alkoholkonsum und die Tablettensucht verhindern ein Auffangen aus dem tiefen Fall.
Erst ihrer Freundin gelingt eine Umkehr durch Sporttraining. Es stabilisiert die Psyche und entwickelt soziale Kontakte bis hin zur Teilnahme am Turnier in Moskau.
Sport bewirkt in Phase 2, dass Schach in den Fokus der Neuroplastizität gelangt.
Phase 3: Bedeutung der sozialen Kontakte für die Neuroplastizität
Die Phase 3 umfasst das Turnier um die Weltmeisterschaft im Schach.
Zwar hat das sportliche Training mit der Freundin bei Beth Schach wieder in den Fokus der Neuroplastizität gerückt; doch dieser Erfolg reicht Beth nicht zum Gewinnen der Schachweltmeisterschaft. Es fehlen ihr die sozialen Kontakte, wie Borgov sie zur Analyse mit seinen Beratern nutzen kann. Der Wendepunkt tritt mit dem telefonischen Coaching durch ihre Freunde aus den USA ein. Das Coaching hilft Beth, ein Remis abzulehnen und die Schach-Weltmeisterschaft zu gewinnen.
Die sozialen Kontakte in Phase 3 sind für die Neuroplastizität unverzichtbar.
„Lushins Verteidigung“ von Vladimir Nabokov
“Lushins Verteidigung“ ist ein dialogloser Roman des russisch-amerikanischen Autors Vladimir Nabokov (1899 – 1971) aus dem Jahre 1930. Es geht um das Schicksal des Schachspielers Lushin. Nabokov beschäftigte sich neben seiner Schmetterlingsforschung mit Schachkompositionen. Weltbekannt wurde er durch seinen 1955 erschienenen Bestseller „Lolita“.
Inhaltsangabe zu „Lushins Verteidigung“
Die Inhaltsangabe zu „Lushins Verteidigung“ zeichnet eine tragische Beziehung zum Schach auf. Lushin, geboren 1898 in Russland, ist ein laut Schulzeugnis lustloser, schläfriger, aber befähigter Schüler. Er ist verschlossen und findet seine Befriedigung im Puzzle. Mit zwölf Jahren kommt er in Kontakt zum Schach. Daran schließt sich eine explosionsartige Karriere an, die sich wegen des 1. Weltkrieges im Ausland vollzieht. Sein Vater, der ein Buch über ihn schreiben will, und ein Agent begleiten ihn.
Lushin will Weltmeister werden und setzt sich unter Druck. In dieser Zeit nimmt er stark an Gewicht zu. Sein Entscheidungsspiel um das Recht, den Schach-Weltmeister herausfordern zu dürfen, endet als unbeendete Hängepartie. Seine Ehefrau erkennt die gesundheitliche Gefahr und isoliert ihn vom Schach, indem sie eine Weltreise in Aussicht stellt.
Es gelingt ihm, diese Isolation zu durchbrechen. Er wird rückfällig und spielt wieder Schach. Dadurch interpretiert er sein Leben als heimtückische Zugwiederholungen.
Als seine Frau dies aufdeckt, versucht sie wieder, ihn zu isolieren. Er geht scheinbar darauf ein, springt aber Anfang 1929 aus dem Fenster seines Badezimmers in die Tiefe.
Neuroplastische Analyse zu Schach in „Lushins Verteidigung“
Die neuroplastische Analyse zu Schach in „Lushins Verteidigung“ befasst sich mit einem Schachspieler.
Spielphase: Der Erhalt der Neuroplastizität erfolgt durch das Schachspielen selbst; denn es regt durch seine Pluridimensionalität aus Regeln, 64 Schachfeldern, 8 Schachfigurentypen und 32 Schachfiguren das Gehirn zu Umbaumaßnahmen an.
Schach ist eine geeignete Maßnahme zum Erhalt der Neuroplastizität des Gehirns.
Spezialisierungsphase: Aufgrund seines steigenden Erfolgs in Turnieren will Lushin Schach-Weltmeister werden. Seine erforderliche Spezialisierung isoliert ihn. Sein Agent löst sich von ihm. Sein Vater stirbt, ohne das Buch über seinen Sohn beendet zu haben.
Schach im Fokus der Neuroplastizität wird durch eine krankmachende Spezialisierung konterkariert.
Suchtphase: Lushin wird schachkrank. Seine Frau behandelt seine Schachsucht wie eine Alkoholkrankheit. Sie versucht, ihn zu isolieren.
Die Neuroplastizität wird beeinträchtigt, wenn Schach als geeignete Maßnahme zum Erhalt ausfällt.
Endphase: Lushin wird rückfällig. Die Neuroplastizität nimmt durch das Schachspielen wieder zu. Er interpretiert sein Leben als Zugwiederholungen, die seine Neuroplastizität begrenzen.
Schach ist nur dann eine geeignete Maßnahme zum Erhalt der Neuroplastizität, wenn das Schachspiel weiterentwickelt wird.
„Murphy“ von Samuel Beckett
„Murphy“ ist ein Roman des irischen Schriftstellers Samuel Beckett (1906 – 1989), erschienen 1938. Mit „Warten auf Godot“ installierte Beckett das absurde Theater. Den Nobelpreis für Literatur erhielt er 1969.
Inhaltsangabe zu „Murphy“
Die Inhaltsangabe zu „Murphy“ beschränkt sich auf das Schachspiel von Murphy mit Mr. Endon.
Der Eigenbrötler Murphy unterhält eine Beziehung zur Prostituierten Celia, die von ihm verlangt, eine Arbeit aufzunehmen. So wird Murphy zum Wärter der Psychiatrie MMM, die ihm eine Dachkammer als Unterkunft zur Verfügung stellt. Weil sie nicht beheizbar ist, wird sie unprofessionell an der Gasleitung vom WC angeschlossen.
Murphy ist auch für den „Schizophrenen liebenswürdigster Art“ Mr. Endon verantwortlich, mit dem er täglich Schach spielt. Bei Arbeitsbeginn stellt Murphy die Schachfiguren auf, macht den ersten Zug, immer mit Weiß, weil Endon nur Schwarz ertragen kann. Dann begibt er sich auf seinen Rundgang. Wenn er zurückkommt, hat Mr. Endon gezogen. Beide treffen sich nur selten am Schachbrett. Die Spiele enden immer remis. Endon ist für Murphy nicht weniger als die Seligkeit, Murphy für Endon aber nicht mehr als Schach.
Im letzten Schachspiel legt Murphy den König nach dem 43. Zug quer und gibt auf. Er entschwindet in seine Dachkammer und dreht die Heizung auf. „Aus dem WC begann das Gas zu strömen, ausgezeichnetes Gas, hochfeines Gas.“ (ebda.; S. 199) Doch die Leitung ist defekt. Murphy stirbt.
Neuroplastische Analyse zu Schach in „Murphy“
Die Analyse zu „Murphy“ kann weder bei Murphy noch bei Endon Schwächen zum Erhalt der Neuroplastizität ihrer Gehirne erkennen.
Die Schachspiele sind absurd, weil keiner der Spieler sich auf einen Kampf einlassen, gewinnen will.
Neuroplastisch unterscheiden sich die absurden nicht von normalen Schachspielen, denn die Pluridimensionalität gilt auch für absurde Schachspiele.
„Schachnovelle“ von Stefan Zweig
Die „Schachnovelle“ wurde von dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig (1881 – 1942) in den Jahren 1941 und 1942 in seinem argentinischen Exil Buenos Aires geschrieben. Er war selbst kein guter Schachspieler; aber die Schachlektüre, die ihm zur Grundlage der Novelle gedient hatte, wurde in seinem Nachlass gefunden.
Inhaltsangabe zu „Schachnovelle“
Die Inhaltsangabe zu „Schachnovelle“ dreht sich um zwei Schachspieler und vier Schachpartien während einer Schiffspassage von New York nach Buenos Aires.
Schachspieler 1 – Mirco Czentovic
Der Schachspieler Mirco Czentovic ist eine fiktive Figur.
Er war schlecht in der Schule. Nach dem Tod seines Vaters, eines Schiffers, wird er vom Dorfpfarrer aufgenommen und nur mit Mühen unterrichtet. Dort beobachtet er das Schachspiel des Pfarrers mit Freunden, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Mit 15 Jahren beginnt er, selbst zu spielen, und gewinnt gegen alle in Dorf und Stadt. Allerdings kann er nicht „blind“ spielen, sondern benötigt immer ein körperliches Taschenschach. Mit 17 Jahren hat er bereits viele Preise errungen, mit 18 Jahren ist er ungarischer Meister, zwei Jahre später Weltmeister.
Ein Mitreisender auf der Schiffspassage attestiert Czentovic ein „vermauertes Gehirn, das seit Monaten nicht eine einzige Partie verloren hat“, „Züge von Phlegma und Imbezillität“ sowie einen „Eitelkeitskoller“.
Schachspieler 2 – Dr. B.
Dr. B. gerät mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 in Einzelhaft der Gestapo, die in einem Hotel zur Isolationsfolter wird. Beim Warten auf ein Verhör gelingt ihm unbemerkt der Diebstahl eines Schach-Repetitoriums.
Aus Brotkrümeln bastelt Dr. B. Schachfiguren. Er lernt schnell „blind“ zu spielen, um nicht aufzufallen. Er spielt Partien Weiß gegen Schwarz zugleich gegen sich selbst. Eine Bewusstseinsspaltung setzt ein, die zur Besessenheit vom Schach wird. Begleitet wird sie durch Bewegungen, ein Auf-und-Ab-Gehen, die eine Gier auf Gewinnen verstärken.
Es kommt zu einer Form pathologischer Überreizung, die Dr. B. ins Hospital bringt, aus dem er in die Freiheit entlassen wird. Der entlassende Arzt empfiehlt Dr. B., das Schachspiel endgültig aufzugeben; denn wer einmal einer Manie verfallen sei, bleibe immer gefährdet. Das gelte auch für eine Schachvergiftung.
Vier Schachpartien
Auf der Passage werden vier Schachpartien gespielt:
- Zuerst überredet der Selfmademan McConnor Czentovic, gegen ihn und seine Freunde Schach zu spielen. Czentovic gewinnt problemlos.
- Während der Revanche kommt zufällig Dr. B. vorbei. Er rät der Spielergemeinschaft, den beabsichtigten Zug zu unterlassen. Deshalb geht das Spiel remis aus.
- Dr. B und Czentovic werden bewogen, gegeneinander Schach zu spielen. Dr. B. bedingt sich aus, dass es bei einer Partie bleiben müsse. Dr. B. schlägt den Schach-Weltmeister.
- Bei der Revanche gerät er stärker als bei der ersten Partie unter Druck der Manie. Auf Anraten des Erzählers gibt er auf und gelobt, nie wieder Schach zu spielen.
Neuroplastische Analyse zu Schach in „Schachnovelle“
Die neuroplastische Analyse zu Schach in „Schachnovelle“ befasst sich mit den beiden Schachspielern.
Analyse von Czentovic: Die Analyse ordnet Czentovic den Inselbegabungen zu. Er hat nicht das Savant Syndrom, weil bei ihm keine Störung vorliegt, sondern nur eine unschädliche Intelligenzminderung. Sie verhindert zwar das „Blind“-Schach, aber die Haptik der Figuren gleicht diesen Verlust aus. Die Haptik wurde 1882 vom deutschen Psychologen Max Dessoir, eigentlich Max Dessauer, (1867 -1949) als Wahrnehmung durch Fühlen entdeckt. Sie ist eine mit der Akustik und der Visualität gleichberechtigte Art der Wahrnehmung.
Die Neuroplastizität wird durch Schach gefördert, aber durch eine Inselbegabung eingeschränkt. Die Haptik ist eine Verschiebung der Wahrnehmung, die sich nur speziell auf die Neuroplastizität auswirkt.
Analyse von Dr. B.: Bei Dr. B. entwickelt sich das Schach zu einer geistigen Überreizung. Die Neuronenbahnen im Gehirn vertiefen sich durch die Isolation. Die Vertiefung wird durch Bewegung verstärkt. Der Rat seines Arztes, auf Schach zu verzichten, ist derselbe, der einem Alkoholiker gegeben wird. Er ist nach neuesten Erkenntnissen zur Neuroplastizität unbedingt einzuhalten; denn es wird empfohlen, den Rückbau schädlicher Neuronenbahnen wegen zu befürchtender Erfolglosigkeit gänzlich zu unterlassen. Stattdessen ist der Grund für den schädlichen Umbau durch positive andere Aktivitäten zu überlagern und nicht mehr anzusprechen. Die Neuronen verlieren ihren Sinn und werden im Konkurrenzkampf der Neuronen anderen Feldern zugeordnet.
Wenn Schach durch Überreizung zu einem negativen, praktisch unumkehrbaren Umbau des Gehirns führt, soll die Neuroplastizität neue Neurobahnen anlegen und die schädlichen Neurobahnen umgehen.
Ergebnis zu „Neuroplastizität im Schach“
Das Ergebnis zu „Neuroplastizität im Schach“ baut auf den Analysen zur dargestellten Schach-Belletristik auf.
Beim „Das Damengambit“ tritt die Neuroplastizität im Schach in drei Phasen auf. In der ersten Phase wird sie durch intensives Lernen, in der zweiten durch Sport und in der dritten durch soziale Kontakte gefördert.
In „Lushins Verteidigung“ entwickeln die Spielphase und die Spezialisierungsphase die Neuroplastizität im Schach. Die Suchtphase baut sie ab. Die Endphase zerstört sie, weil sie die Rückkehr der Schachsucht nicht verhindert.
„Murphy“ beschreibt absurde Schachspiele. Aber das absurde Schach beeinträchtigt nicht die Neuroplastizität im Schach.
„Die Schachnovelle“ zeigt erstens, dass die Neuroplastizität im Schach durch Inselbegabungen eingeschränkt wird. Zweitens ist eine Überreizung durch Schach mit der Neuroplastizität selbst zu bekämpfen. Sie legt neuroplastisch isolierende Neuronenbahnen an.
Die angeführten Beispiele beschreiben belletristisch die Neuroplastizität im Schach als geeignete Maßnahme zum Umbau des Gehirns. Sie liefern die Begründung für Schach im Fokus der Neuroplastizität.
Call-to-Action
Zur vertiefenden Lektüre sind folgende Blog-Beiträge empfohlen:
- „Lernen – mit Neuroplastizität (1)“
- „Lernen – mit Feldenkrais (2)“
- „Quiet Quitting – Well Being (2) – Act Your Wage – Schöne neue Welt“
- “Positive Psychologie – Trilogie 1. Teil: Humanistische Psychologie / Grundlagen / Positive Psychologie“
Fazit
Schach im Fokus der Neuroplastizität lässt sich durch belletristische Figuren abbilden, die nicht in Fachpublikationen vorkommen.
Der Fokus der Schachphilosophie zeigt Veränderungen im Laufe der Philosophiegeschichte. Brettspiele sind nach Platon konzentriert zu betreiben. Aristoteles dienen sie der Erholung. Für Schopenhauer ist Schach eine Beschäftigung. Wittgenstein bezieht Schach in seine Sprachspiele ein. Nach Poe können Schachspieler nicht analysieren. Bennett schildert das Schach in der Komik des Alltags.
Die belletristische Literatur offenbart, wie ihre Protagonisten beim Schach im Fokus der Neuroplastizität abschneiden. Im „Der Damengambit“ muss sich eine Frau gegen die Männerwelt der Schachgroßmeister behaupten. Dazu benötigt sie eine vollausgebaute Neuroplastizität. In „Lushins Verteidigung“ wird Lushin schachkrank, ähnlich wie Alkoholiker alkoholkrank werden. Die Krankheit beeinträchtigt die Neuroplastizität.
In „Murphy“ spielt Murphy absurdes Schach. Die Regeln des Spiels sind absurd. Das Spiel, das diesen Regeln folgt, benötigt eine der Absurdität angepasste Neuroplastizität vom Gehirn.
In der „Schachnovelle“ ist Czentovic eine Inselbegabung im Schach. Sie verengt zwar die Neuroplastizität auf die „Insel“, ermöglicht aber auf der „Insel“ eine eigene Entwicklung der Neuroplastizität. Dr. B. verfällt durch Isolationshaft der geistigen Überreizung durch Schach. Die Überreizung verengt die Neuroplastizität auf die „Insel“ Schach. DR. B. überwindet sie erst, als er dem Schach entsagt.
Schach im Fokus der Neuroplastizität bezieht seine Begründung als geeignete Maßnahme zum Umbau des Gehirns aus der Literatur.